@stefanmuelller
Habe mir Deinen Blogartikel durchgelesen. Vieles spricht mir aus dem Herzen bzw. war exakt so: Niemand meiner Generation hat ernsthaft "Ostrock" gehört; ich war einer der DJs (eher KJs, mit Kassette - mach ich heute noch) auf der völlig überfüllten Schuldisko (die Schule hätte danach fast geschlossen werden müssen, weil sich ein Riss unterhalb des Raums gebildet hatte), hab Nina Hagen gespielt (Die UFOs sind da) und damit meinen ersten Moschpit ausgelöst. All das in Dresden, wo man experimentierfreudig sein musste, um Westradio (RIAS praktisch) in guter Qualität zu hören.
Zum Artikel: Einiges empfinde ich befremdlich, einiges ist nicht ganz richtig.
Ich war 1989 in der 10. Klasse, und ich schätze, Du bist gute 5 Jahre älter – "Kulturtechnisch" bereits völlig alien im Vergleich zu uns ;-) . An die ganzen Rias-Sendungen erinnere ich mich z.B. nicht, "Berlincharts" war doch das Ding! Ich glaube, die gingen Ende 1985 los. Vorher (82-84) war noch "Hits für Fans" mit Andreas Dorfmann auf SFB1 am Montag eine gute Quelle. Außerdem gab es die englischen Indiecharts auf Rias2. SFB2 wäre der interessantere Sender gewesen, aber der kam in Dresden schlecht rein (es sei denn, man hatte einen SKR700, der hatte ein funktionierendes AFC, und man wohnte damit in Höhenlage).
Die Typen, die AC/DC in die Schulbänke ritzten und mit ihren Jeansjacken hörten, standen in meiner Generation auf einer Stufe mit Puhdys Fans, wir hatten nur eine Mischung aus Mitleid und Verachtung für die übrig (sorry Stefan!). In der 10ten 2 Klassen über mir (also 87) waren Typen, die mit radikaler Punkfrisur, Sonnenbrille und US-Flaggen-T-Shirt zur Schule kamen. Ich weiß noch, wie ich die völlig perplex beim Runterschlingen des DDR-Schulessens angeglotzt habe. Wieso verschlingen Aliens von einem anderen Planeten DDR-Schulessen? Das mit den Punk (und Grufti) Frisuren war dann in meiner 10. Klasse "normal", nur US-Flaggen-T-Shirt? Hatte niemand – woher denn?
"Wirklich schrecklich war so was wie Rockhaus (Ich liebe Dich) oder Inka (Spielverderber). Rockhaus war mit Ich liebe Dich 1988 Nummer eins der DDR-Jahreshitparade, aber wahrscheinlich waren die Hitparaden genauso gefälscht wie die Wahlen (siehe Wahlfälschung bei Kommunalwahlen 1989)."
Na, ich denke eher, dass die nicht gefaked waren – der "Trick" war ja, dass nur DDR Rockbands, wo die Mitglieder auszusehen hatten, wie Jürgen Karney (Scherz), überhaupt reingelassen wurden.
Ausgerechnet das von Dir genannte "Spielverderber" wurde von uns mit gewissem Wohlwollen aufgenommen, weil es wirklich ein Gegenentwurf zu den Karney-Rockern war. Die NDW-Stilistik war ausgesprochen stilsicher, nur leider 7 Jahre zu spät und damit dann nicht wirklich ernst zu nehmen. Inzwischen liefern ja Bomb the Bass, 16 Bit und Coldcut im Radio und unseren Schuldiskos (und ab und an Nina Hagen Oldies ;) ). Und bis heute empfinde ich (und die Leute aus meiner Klasse) Silly als einzige akzeptable DDR-"Kommerz"-Band. Auch wenn Tamara eine furchtbare Frisur trug - der Sound war ausgesprochen amtlich und ihre Stimme plus Texte dazu... akzeptabel. Hör Dir nochmal "So ne kleine Frau" an. Ich krieg da immer noch Gänsehaut.
"die anderen Bands […] wurden […] im Parocktikum von Lutz Schramm (auf dem schlechtesten Sendeplatz) [gespielt]. So was wie Sandow, […], AG Geige […] Die hatten eine Einstufung und konnten […] auftreten".
Also die Bands, die Lutz gespielt hat, hatten mit Sicherheit nicht alle eine Einstufung. Haarspalterei, aber AG Geige hatte keine, durfte aber über den Umweg "Kulturkollektiv" auftreten. Mich hat er auch gespielt (hatte gar nichts).
Lutz Schramm hat später im Interview erzählt, dass plötzlich 2 Unbekannte im Studio standen und fragten, wieso er Tapes verbotener Bands spiele, und er so: "Wieso? Ich denke, das ist Euer Job zu prüfen, was auf meinem Schreibtisch landet?"
Jedenfalls, klar hat er Gefahrenzone gespielt, mehrfach.
https://parocktikum.de/playlist.php?limit=10&suche=gefahrenzone
Trotzdem: Guter Artikel - Danke!!