Lese gerade in dem Buch von Katja Hoyer rum, weil es ein Gespräch mit ihr und Anne Rabe in der taz gab.

„Gerdas Mann fragte sich, ob es denn noch möglich wäre, die Grenze zu passieren, und ging zwischen den noch spärlich verteilten Spanischen Reitern auf der Boyenstraße hinüber in den Westsektor. Niemand stellte ihm Fragen, und es wurde ihm bewusst, dass dies seine letzte Chance war, im Westen zu bleiben. Doch er kehrte um, durchschritt noch einmal die primitiven ersten Grenzanlagen und kehrte zu seiner schwangeren Frau zurück, um ein Leben im Osten zu führen.“

Das berührt mich. Wie oft werden sie darüber nachgedacht haben, wie ihr Leben hätte anders verlaufen können.

Bei mir war die Mauer einfach da. Da gab es nichts nachzudenken.

#Mauerbau

Die Stelle fand ich lustig:

„Ein zu Propagandazwecken aufgenommenes Bild von vier jungen Kampfgruppen-Männern, die am 14. August 1961 den Grenzübergang am Brandenburger Tor bewachen, verschwand klammheimlich in den Archiven, da sich alle vier nach Westdeutschland davongemacht hatten.“

Diesseits der Mauer
Katja Hoyer

3/ Also jetzt kommen so ein paar unsortierte Kommentare zu #Hoyer: Diesseits der Mauer.

Soweit ich sehen kann beschreibt Hoyer den Anfang der Ostzone/DDR völlig korrekt. Es ist keine kommunistische Lobhudelei. Plünderungen und Vergewaltigungen durch russische Soldaten werden beschrieben. Auch die Zeit des großen Terrors in der Sowjetunion und das Leben und Sterben der deutschen Kommunist*innen im Exil.

Das ist für mich interessant, denn einige dieser Dinge höre ich zum ersten Mal, denn aus irgendwelchen Gründen hatten wir das so nicht in der Schule …

Ich hatte ja im Ostblog was zu den Reparationsleistungen der #DDR geschrieben. Die bestand unter anderem darin, dass viele Wissenschaftler*innen und Ingenieure in die Sowjetunion gebracht wurden, wo sie über mehrere Jahre hinweg arbeiten und Produktionsstränge von im Osten abgebauten Werken wieder aufbauen helfen mussten bzw. Militärforschung machen mussten. Hoyer beschreibt das und auch ein paar interessante Details.

Männer durften eine Frau mitnehmen. Ihre Ehefrau oder ihre Geliebte. Schließlich sollten sie sich wohlfühlen …

Kurios.

Und hinterher konnten sie sich aussuchen, in welches Land sie entlassen werden wollten. DDR, BRD, Österreich.

Nett zu den Wissenschaftlern, nicht nett zur DDR.

Eine Familie hat zwei Kühe in die SU mitgenommen …

4/ Uri, Uri. Die Sowjets haben nach dem Krieg Uhren eingesammelt. Ich habe immerhin noch ein Erbstück bekommen. War aber ne Taschenuhr, an der hatten sie vielleicht kein Interesse.

Was ich auch gelernt habe, ist, dass das Reichstagsfoto retuschiert werden musste, weil der Soldat mit der Sowjetfahne an jedem Arm ne Uhr trug.

https://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/legendaere-foto-manipulation-fahne-gefaelscht-uhr-versteckt-wolken-erfunden-a-551663.html

#Hoyer

Legendäre Foto-Manipulation: Fahne gefälscht, Uhr versteckt, Wolken erfunden

Heldenhaft hisst der Sowjetsoldat die Rote Fahne, Hammer und Sichel flattern auf dem Reichstag: Yevgeny Khaldei hat eines der berühmtesten Bilder der Zeitgeschichte fotografiert. Jetzt wird er mit einer Retrospektive in Berlin gewürdigt - doch ausgerechnet sein legendäres Werk manipulierte er mehrfach.

DER SPIEGEL

5/ Das scheint der einzige Fehler zu sein, den ich bis jetzt bei #Hoyer entdecken konnte.

Es gab keine #FDJ-Uniform. Es gab FDJ-Hemden und das Emblem war am Arm. Auf der Brust war nichts, es sei denn es gab vor meiner Zeit noch andere Varianten des FDJ-Hemds, aber das scheint mir unwahrscheinlich.

6/ Das war Margot Feist, später #Honecker.

Bilder der beschriebenen Szene mit Pieck. Soweit ich erkennen kann, kein Emblem auf der Brust. Na, egal. Kann dann bei der nächsten Ausgabe repariert werden.

#DDR #Geschichte #DeutscheGeschichte #Hoyer

7/ Hier ist noch mal der Erich höchst persönlich. Damals war er noch FDJ-Chef. Man sieht, dass da nichts auf der Brust war. Aber im Wikipedia-Artikel ist beschrieben, dass manche Aufnäher auf der Brust hatten. Vielleicht hatte sie ja Patches. =:-)

https://de.wikipedia.org/wiki/Blauhemd_(FDJ)

Übrigens ist im #Hoyer-Buch beschrieben, was die #FDJ so alles gemacht hat. In #Essen haben sie gegen die Wiederbewaffnung der #BRD demonstriert, was dazu führte, dass sie als verfassungsfeindlich eingestuft und verboten wurden. Bei den (verbotenen) Demonstrationen wurden drei Menschen von der Polizei beschossen und Philipp Müller ist gestorben. Honecker wollte daraufhin die „Adenauer-Clique“ von dannen jagen und ist mit Zehntausenden FDJlern nach Westberlin marschiert. Da haben sie wohl ziemlich Dresche bezogen.

Als 1989 die Mauer aufging, habe ich in Kreuzberg einen Typen mit FDJ-Hemd gesehen, der mit anderen diskutierte. Ich fand das sehr schräg. Er kannte wohl den entsprechenden Teil der FDJ-Geschichte nicht.

Blauhemd (FDJ) – Wikipedia

8/ „Dieser Widerstand manifestierte sich unter anderem in der Verweigerung des immer wieder geforderten öffentlichen Tragens des Blauhemdes als dem „sichtbaren Symbol der Loyalität zum SED-Regime“. Als Begründung für das Nichttragen wurden von FDJ-Mitgliedern bei Aussprachen modische wie hygienische Einwände vorgebracht, so sei das Blauhemd nicht mehr modern und man könne es bei Sommerhitze nicht wiederholt anziehen. Auch sei durch das ständige Blauhemd-Tragen das Ansehen bei Freunden und Kollegen in Gefahr.“

„modische Einwände“ finde ich lustig. Da gilt wohl eher nicht, wenn mit Propaganda Druck gemacht wird. „Ansehen bei Freunden und Kollegen“ ist auch eher schräg.

„Ein gängiger Minimalkompromiss anstelle des verlangten ganztägigen Tragens war das Mitführen des FDJ-Hemdes zum Ort des offiziellen Anlasses, um es erst dort für die Zeremonie anzuziehen und danach schnellstmöglich wieder abzulegen. Auch wurden Pullover über dem FDJ-Hemd getragen, zum offiziellen Anlass konnte der blaue Kragen über dem Kopfausschnitt gezeigt werden. “

Ja, so haben das manche gemacht.

https://de.wikipedia.org/wiki/Blauhemd_(FDJ)

Blauhemd (FDJ) – Wikipedia

9/ Hefte raus! Klassenarbeit!

Kleiner Geschichtstest. An welchem Tag wurde die #DDR gegründet

Mitmachen dürfen nur Menschen, die nicht in der DDR gelebt haben. Wer zur Wende drei oder jünger war, darf auch.

Betrugsversuche wie mit dem Handy auf's Klo gehen, werden streng bestraft. Bitte spontan antworten.

08. Mai
10.3%
17. Juni
17.9%
03. Oktober
10.3%
07. Oktober
61.5%
Poll ended at .

10/ Habt Ihr gut gemacht.

8. Mai war Tag der Befreiung.

17. Juni wäre die DDR 1953 beinahe zu Ende gewesen, das war der Volksaufstand, später Tag der deutschen Einheit

03.Oktober war später Tag der deutschen Einheit

07. Oktober war der Republikgeburtstag

Und jetzt haltet Euch fest. #Hoyer schreibt doch tatsächlich, dass die DDR am 3.10. gegründet wurde. In einem Buch zur Geschichte der DDR.

Das ist schon deshalb absurd, weil man ja den Tag der deutschen Einheit nicht auf den Republikgeburtstag gelegt hätte.

Ich wage zu behaupten, dass jede*r Ostdeutsche noch heute weiß, dass der 7.10. der Republikgeburtstag war. Das war Feiertag, die Staatsführung hat da Militärparaden abgehalten und Sachsen (sorry, Sachsen) in FDJ-Hemd an sich vorbeiziehen lassen. Wir habe langfristig unsere Parties an diesem Tag geplant, weil wir ja nichts Anderes zu tun hatten.

Ein Vorwurf an Hoyer war, dass die Opposition in ihrem Buch nicht vorkam. Ich habe das Buch noch nicht zu Ende gelesen, aber wahrscheinlich ist dieser Vorwurf berechtigt. Hätte sie sich irgendwie mit der Opposition beschäftigt, hätte sie gewusst, dass am 7.5.1989 Kommunalwahlen in der DDR stattfanden. Die Ergebnisse waren gefälscht und der kirchlichen Opposition war es zum ersten Mal gelungen, den #Wahlbetrug nachzuweisen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Kommunalwahlen_in_der_DDR_1989

Seit dem 7. Juni gab es deshalb an jedem 7ten des Monats Proteste an der Weltzeituhr am Alex und allen politisch aktiven Menschen war es klar, dass das am 7.10. krachen musste. Ich erinner mich noch daran, wie ich das kurz vorher im Sportverein angesprochen habe. Beim Umziehen.

Ansonsten ist das, was ich bisher vom Buch gelesen habe, gut, aber so was darf einfach nicht passieren.

Hat denn niemand dieses Buch vor Veröffentlichung gelesen? Es gibt ja schon die englische Version, die muss doch auch jemand gelesen haben. Ich dachte erst, das sei ein Fachbuch, aber die englische Version ist bei Penguin Books erschienen. Trotzdem. Man zeigt doch Bücher anderen, bevor man sie veröffentlicht.

Und noch was zum #Fernsehturm. Wahrscheinlich war die Eröffnung bewusst einige Tage vor dem Republikgeburtstag, denn der Fernsehturm war ja ein dolles Ding. Das sollte gebührend gefeiert werden. Am 7.10. ging dann die restliche Show über die Bühne. Militärparade oder #WinkeWinke, oder was immer die 1969 gemacht haben. @peer findet bestimmt die relevanten Zeitungsausschnitte im ND.

Kommunalwahlen in der DDR 1989 – Wikipedia

11/ Sorry, aber die #Ostmusik war Mist. Totes Zeug, das wurde erst ganz zum Schluss (80er) anders, als es einen offiziellen Untergrund gab.

#Hoyer beschreibt in früheren Kapiteln Phasen der Lockerung und Zeiten, in denen Manfred Krug u.a. mit #Twist erfolge feierten. Dann wurde das aber wieder strenger. In meiner Jugendzeit war Ostmusik spröde und langweilig. Ich habe mich redlich bemüht, #Pankow und #Silly gut zu finden. Es ist mir nicht gelungen. Ich habe noch ein paar Platten, die ich aber nie höre.

Ich war an einer Schule mit Funktionärskindern in einer Klasse. Einer mit Opa im ZK, ein anderer mit einer besonderen Telefonnummer. Weiß nicht, was der Vater war. Wir haben uns getroffen und Musik überspielt. Kraftwerk habe ich von einem aus der Parallelklasse bekommen. Beatles, Pink Floyd, The Doors, Zappa, Beefheart von Klassenkameraden. Ich kann mich noch erinnern, wie wir The final Cut mit hand ausgesteuert haben, weil der #Geracord die hohe Dynamik gekillt hätte. Mein Freund immer kurz vor den entscheidenenden Stellen: Runter! Runter!

Tom Waits, Dire Straits bekam ich von einem Klassenkamerad, dessen Schwester nach Westberlin geheiratet hatte. Schlecht für ihn, weil er nicht zur internationalen Physikolympiade fahren durfte, gut für uns, weil wir die Platten überspielen konnten.

Vom Kumpel mit ZK-Opa habe ich #Gefahrenzone bekommen. Zu einem Zeitpunkt, als die #Stasi schon Zersetzungsmaßnahmen gegen die Band laufen hatte.

https://parocktikum.de/wiki/index.php/Gefahrenzone

Und hier Musik:
https://tapeattack.blogspot.com/search?q=gefahrenzone

Die #Puhdys hat niemand von uns gehört. (oder wenn, dann heimlich =:-)

Was man wissen muss über die Ostmusik ist: Man konnte nicht einfach so auftreten. Während das im Westen der Markt regelte, regelte das im Osten der Staat. Man brauchte eine #Einstufung. Das bedeutete, dass nur Menschen, die ihre Instrumente beherrschten, auftreten konnten. Und dass nur Menschen, die irgendwie zensurkonforme Texte hatten, eine #Einstufung bekommen haben. Gegen Ende gab es #dieAnderenBands. Die wurden sogar im #Parocktikum von Lutz Schramm im Jugendradio #DT64 gespielt (auf dem schlechtesten Sendeplatz). So was wie #Sandow, #dieArt, #FeelingB, #DieVision, #AGGeige, #HerbstInPeking, #IchFunktion, #DieFirma. Die hatten eine Einstufung und konnten in Jugendklubs, Kreiskulturhäusern oder im #PalastDerRepublik bei Veranstaltungen von Lutz Schramm auftreten. Ohne Einstufung blieben nur Konzerte in Kirchenräumen.

Das war echt, das tat weh und ab und zu wurde mal eine von den Bands verboten oder hatte irgendwie Schwierigkeiten.

Also, das Kapitel über #Ostmugge war etwas kurz, aber vielleicht kommt ja noch was.

Die Puhdys-Songs in #PaulundPaula sind auf jeden Fall legendär. Den Film müsst Ihr auch unbedingt sehen.

#TapeAttack

Gefahrenzone – Parocktikum Wiki

12/ Tja. Deshalb konnte die #DDR nicht funktionieren. Jedenfalls nicht ohne #Mauer.

Das habe ich erst spät verstanden. Wir wollten ja nach der Wende eine eigenständige linke DDR, aber das wäre eben nicht gegangen.

Auch dass der Reichtum des Westens zum Großteil eben auf der Ausbeutung des Südens beruhte, den der Osten eben mangels konvertierbarer Währung nicht ausbeuten konnte. Was ich von #Hoyer gelernt habe, war, dass auch die #HallsteinDoktrin noch erschwerend hinzukam.

https://de.wikipedia.org/wiki/Hallstein-Doktrin

Die #BRD verhinderte dadurch, dass die DDR mit anderen Ländern Handel treiben konnte. Die BRD war größer und so wichtiger und wenn andere Länder mit ihr Handel treiben wollten, konnten sie das eben nicht mit der DDR tun.

Dazu kam noch #Marshallplan vs. Reparationsleistungen an die SU, Bodenschätze vs. keine, Industriegebiete vs. wenig.

Tja.

Ist wirklich ganz schön, das alles noch mal von Anfang an zu lesen. Was industriell und kulturell wann passierte, wie sich das alles bedingte usw.

Hallstein-Doktrin – Wikipedia

13/ Hier, hab das mit der #Ostmusik noch mal ordentlich aufgeschrieben. #Puhdys war nicht meins. Wenn ich mich recht erinnere, wurde bei unseren Klassen- und Schuldiscos nichts aus dem Osten gespielt.

Im Blog-Beitrag erzähle ich, was ich so gehört habe und wo man das herbekommen konnte.

Viel Spaß!

https://so-isser-der-ossi.de/2024/11/29/ostmusik/

#Ostmugge #Musik #Osten #Westen #RIAS #SFB #DT64 #Parocktikum #dieAnderenBands

Ostmusik / Westmusik - So isser, der Ossi

Die Puhdys!!!! Ich lese gera­de das Buch Dies­seits der Mau­er von Kat­ja Hoyer. Es gibt dar­in einen Abschnitt zu Ost­rock im Kapi­tel 1971–1975. Die anfäng­li­che Anpas­sung der Puh­dys an die Vor­ga­ben des Regimes war nicht ein­fach nur ein Akt der … Weiterlesen →

So isser, der Ossi

@stefanmuelller

Habe mir Deinen Blogartikel durchgelesen. Vieles spricht mir aus dem Herzen bzw. war exakt so: Niemand meiner Generation hat ernsthaft "Ostrock" gehört; ich war einer der DJs (eher KJs, mit Kassette - mach ich heute noch) auf der völlig überfüllten Schuldisko (die Schule hätte danach fast geschlossen werden müssen, weil sich ein Riss unterhalb des Raums gebildet hatte), hab Nina Hagen gespielt (Die UFOs sind da) und damit meinen ersten Moschpit ausgelöst. All das in Dresden, wo man experimentierfreudig sein musste, um Westradio (RIAS praktisch) in guter Qualität zu hören.

Zum Artikel: Einiges empfinde ich befremdlich, einiges ist nicht ganz richtig.

Ich war 1989 in der 10. Klasse, und ich schätze, Du bist gute 5 Jahre älter – "Kulturtechnisch" bereits völlig alien im Vergleich zu uns ;-) . An die ganzen Rias-Sendungen erinnere ich mich z.B. nicht, "Berlincharts" war doch das Ding! Ich glaube, die gingen Ende 1985 los. Vorher (82-84) war noch "Hits für Fans" mit Andreas Dorfmann auf SFB1 am Montag eine gute Quelle. Außerdem gab es die englischen Indiecharts auf Rias2. SFB2 wäre der interessantere Sender gewesen, aber der kam in Dresden schlecht rein (es sei denn, man hatte einen SKR700, der hatte ein funktionierendes AFC, und man wohnte damit in Höhenlage).

Die Typen, die AC/DC in die Schulbänke ritzten und mit ihren Jeansjacken hörten, standen in meiner Generation auf einer Stufe mit Puhdys Fans, wir hatten nur eine Mischung aus Mitleid und Verachtung für die übrig (sorry Stefan!). In der 10ten 2 Klassen über mir (also 87) waren Typen, die mit radikaler Punkfrisur, Sonnenbrille und US-Flaggen-T-Shirt zur Schule kamen. Ich weiß noch, wie ich die völlig perplex beim Runterschlingen des DDR-Schulessens angeglotzt habe. Wieso verschlingen Aliens von einem anderen Planeten DDR-Schulessen? Das mit den Punk (und Grufti) Frisuren war dann in meiner 10. Klasse "normal", nur US-Flaggen-T-Shirt? Hatte niemand – woher denn?

"Wirklich schrecklich war so was wie Rockhaus (Ich liebe Dich) oder Inka (Spielverderber). Rockhaus war mit Ich liebe Dich 1988 Nummer eins der DDR-Jahreshitparade, aber wahrscheinlich waren die Hitparaden genauso gefälscht wie die Wahlen (siehe Wahlfälschung bei Kommunalwahlen 1989)."

Na, ich denke eher, dass die nicht gefaked waren – der "Trick" war ja, dass nur DDR Rockbands, wo die Mitglieder auszusehen hatten, wie Jürgen Karney (Scherz), überhaupt reingelassen wurden.
Ausgerechnet das von Dir genannte "Spielverderber" wurde von uns mit gewissem Wohlwollen aufgenommen, weil es wirklich ein Gegenentwurf zu den Karney-Rockern war. Die NDW-Stilistik war ausgesprochen stilsicher, nur leider 7 Jahre zu spät und damit dann nicht wirklich ernst zu nehmen. Inzwischen liefern ja Bomb the Bass, 16 Bit und Coldcut im Radio und unseren Schuldiskos (und ab und an Nina Hagen Oldies ;) ). Und bis heute empfinde ich (und die Leute aus meiner Klasse) Silly als einzige akzeptable DDR-"Kommerz"-Band. Auch wenn Tamara eine furchtbare Frisur trug - der Sound war ausgesprochen amtlich und ihre Stimme plus Texte dazu... akzeptabel. Hör Dir nochmal "So ne kleine Frau" an. Ich krieg da immer noch Gänsehaut.

"die anderen Bands […] wurden […] im Parocktikum von Lutz Schramm (auf dem schlechtesten Sendeplatz) [gespielt]. So was wie Sandow, […], AG Geige […] Die hatten eine Einstufung und konnten […] auftreten".
Also die Bands, die Lutz gespielt hat, hatten mit Sicherheit nicht alle eine Einstufung. Haarspalterei, aber AG Geige hatte keine, durfte aber über den Umweg "Kulturkollektiv" auftreten. Mich hat er auch gespielt (hatte gar nichts).
Lutz Schramm hat später im Interview erzählt, dass plötzlich 2 Unbekannte im Studio standen und fragten, wieso er Tapes verbotener Bands spiele, und er so: "Wieso? Ich denke, das ist Euer Job zu prüfen, was auf meinem Schreibtisch landet?"

Jedenfalls, klar hat er Gefahrenzone gespielt, mehrfach.

https://parocktikum.de/playlist.php?limit=10&suche=gefahrenzone

Trotzdem: Guter Artikel - Danke!!

www.parocktikum.de | Playlist-Suche

Playlisten, Downloads und Infos zur Radiosendung Parocktikum, 1986-1992, DT64 DDR

@herr_irrtum Ja, die #Gefahrenzone-Seite, die ich verlinkt habe, ist ja auch von ihm.

AG-Geige wusste ich vielleicht mal, hatte ich aber wieder vergessen. Ich habe sie jedenfalls mehrfach an höchstoffiziellen Orten gesehen: Insel der Jugend und Palast der Republik. Daraus habe ich dann geschlossen, dass sie eine Einstufung hatten. Sie haben jedenfalls großartige Kunst gemacht. =:-)

https://de.wikipedia.org/wiki/AG._Geige

Ja, Silly und Pankow waren ok. Von meiner EOS-Klasse haben auch welche City gehört und die Band hat sich auch sehr korrekt verhalten und anderen geholfen und so.

Aber ich weiß auch noch, dass wir Flüstern und Schrein geguckt haben und uns echt gewundert haben, dass Silly so ne Hardcore-Fans hatte. Wir waren eher so bei Sandow und FeelingB.

Ha, ha, ACDC. Das war damals TNT und Highway to Hell. Das war ja auch Mainstream zu der Zeit. Die richtig guten alten Scheiben habe ich erst später entdeckt.

Und Nina Hagen war wirklich cool. Das war übrigens die Freundin von dem, dessen Vater die 60:40-Regel eingeführt hatte, wonach bei Discos und im Radio der Anteil der Ostmusik 60% sein sollte. Bei Schuldiskos hat sich zum Glück niemand dran gehalten.

Der Freund Nina Hagens, dann Ex-Freund war später mein Chef im Westen. =:-)

https://www.youtube.com/watch?v=91ZYMAgt5ps

AG. Geige – Wikipedia

@stefanmuelller

Oh, Entschuldigung wegen Gefahrenzone... Link übersehen.
Stein auf Stein hatte ich damals mitgeschnitten, war einer meiner absoluten Favoriten.

Aus dem Gedächtnis (am Ende war's der Bassist und 1981 oder so): Sillys Drummer hatte wohl seit 1980 Auftrittsverbot – noch von seiner Zeit mit einer anderen Band (pun not intended). Die haben ihn einfach dazu geholt und bei Silly hat ihn dann keiner mehr überprüft... ;-)

M.E. hab ich das wahrscheinlich aus dem Buch "Wir wollen immer artig sein..." von Galenza und Havemeister, die ja unermüdlich noch immer dabei sind, den DDR-Underground der 80er aufzuarbeiten. Aber habe gerade die Silly-Einträge, die im Register erwähnt sind (viele!) grob überflogen und erstmal nichts gefunden.
Kurzum: Bin mir zwar sicher, dass dem so war, kann's aber gerade nicht belegen.

Danke für Dein Reply!

@herr_irrtum Ja, Stein auf Stein war wirklich großartig. Es ist auch schön, dass dieser ganze Kram von ein paar Wahnsinnigen archiviert wird, dass die Sachen bei TapeAttack und auf den parocktikum-Seiten noch verfügbar sind.

Übrigens habe ich erst vor nem Jahr im Jüdischen Museum rausgefunden, dass Toni Krahl von City und auch welche von Stern Meißen Juden sind. Das war in der DDR überhaupt kein Thema. Nur weil immer wieder Menschen was von Antisemitismus in der DDR faseln.

Bei den Herzbergs (Pankow) wusste ich das. Woher auch immer.

https://so-isser-der-ossi.de/2019/09/01/der-ossi-und-der-holocaust/#Musiker

Der Ossi und der Holocaust - So isser, der Ossi

Es wird immer wieder, auch von Ossis, behauptet, der Holocaust wäre im Osten nicht thematisiert worden. Das ist falsch, wie ich hier ausführlich zeige.

So isser, der Ossi

@stefanmuelller

Gebookmarked. Interessanter Text.
Will ihn aber noch mal in Ruhe lesen.
Wobei ich denke, dass es auch im Osten Antisemitismus gab

(das ND soll z.B. den Prager Frühling mit einem aufflackernden Zionismus begründet haben – ich hatte das lange im Kopf so und irgendwann nach Quellen gesucht aber spezifisch im ND der End60er Jahre nichts gefunden; vielleicht hab ich mich blöd angestellt oder es ist eben Tatsache ein Fake; mehr unten)

, es war aber keine flächenübergreifende Selbstverständlichkeit, und überhaupt eher gar kein Thema – ich kann mich an keinerlei antisemitischen Vorfall oder -Leute im meinem Umfeld erinnern.
Und zudem wurde das Holocaust-Thema in der Tat sehr offen und offiziell kommuniziert, in der Gedenkstätte Buchenwald oder in den Schulgeschichtsbüchern (Warschauer Ghetto) auch. Insofern finde ich die og. ND-Bewertung des Prager Frühlings noch stranger. Anna Seghers war ja auch jüdischer Abstammung... irgendwie macht das keinen richtigen Sinn.

Aber klar ist eben auch, dass diese spezifische Religionszugehörigkeit bei Prominenten nicht offen thematisiert wurde. Warum nicht? Die Antwort findet sich u.a. in dem von Dir verlinkten TAZ Interview mit mit Daniel Rapoport. Das war einfach Privatsache. Eine theoretische Frage wäre auch: Welche Prominenten waren Christ? Bestimmt nicht Wenige. Das war eben auch mehr Privatsache. In dem Sinne, dass die SED sowieso nicht gut auf jedwelche Religion zu sprechen war (siehe Kirchensprengungen in den 50ern).