„Was uns nicht umbringt, macht uns stärker«, soll Friedrich Nietzsche einmal gesagt haben. | Prof. Dr. Volker Busch | 147 comments
„Was uns nicht umbringt, macht uns stärker«, soll Friedrich Nietzsche einmal gesagt haben. Liegt in der Auseinandersetzung mit normalen Alltagsstress eine Chance auf Wachstum?
Seit nunmehr 15 Jahren leite ich die Stressambulanz unserer Klinik, und ich beobachte zunehmend ein Verhalten, was darauf schließen lässt, dass viele vom Gegenteil auszugehen scheinen: Die beliebteste Form im Umgang mit Anstrengungen und Belastungen ist heute, sie von vorne herein zu vermeiden.
Eine Studie der Duke University in Durham hat nun anhand von 1137 Erwachsenen über 4 Jahre Beobachtungszeit gezeigt, dass Stress nicht automatisch krank macht, nur wenn er als „hoch“ empfunden wird. Ein freundlicher und liebevoller Umgang mit sich selbst hob seine negativen Auswirkungen wieder auf! (Ein gutes Selbstmitgefühl beinhaltet u.a., gut auf sich zu achten, sich Fehler eingestehen, nicht erreichte Ziele aufgeben, Verletzungen und Enttäuschungen loslassen, und sich Dinge verzeihen zu können)
Die Forscher konnten zeigen: Solange der selbstpflegliche Umgang in gleicher Weise zunahm wie das Stressniveau anstieg, litten die Probanden weder unter den Belastungen, noch wurden sie darunter krank. Ihre seelische Widerstandskraft stieg stattdessen, und sie konnten mit dem Stress im Verlauf immer besser umgehen.
Die Ergebnisse stützen die bekannte Theorie der sog. „Stressimpfung“. Sie besagt, dass Menschen an Stress wachsen, wenn sie sich immer wieder anstrengenden Herausforderungen stellen, diese aber mit einem guten Selbstmitgefühl flankieren.
Hierbei wird ihr „mentales Immunsystem“ stärker, ähnlich wie das „körperliche Immunsystem“, nachdem es einen Infekt erfolgreich bekämpft hat. Wer Stress dagegen umgeht und um jeden Preis vermeidet, vergibt sich die Chance auf diese Form des Adaptationslernens.
Die Studie zeigt damit einmal mehr, was ich meinen Klienten schon seit vielen Jahren ans Herz und ans Hirn lege: Der Versuch einer Vermeidung und Umgehung jeglichen Stress macht nicht stärker, sondern letztlich anfälliger!
Es führt zu dem, was Eltern erleben, die ihren Kleinkindern ständig die Hände abwischen, sobald sie etwas angefasst haben, in der irrigen Annahme, dadurch würden sie immunologisch stark. Stattdessen werden sie werden im Laufe ihres Lebens statistisch häufiger krank, weil sie in frühen Jahren kein kompetentes Immunsystem aufbauen konnten.
So leidvoll schwierige Phasen des Lebens sind, es ist eben diese Auseinandersetzung und nicht die Flucht und Vermeidung, die uns wachsen lässt. Eine wichtige Voraussetzung bleibt jedoch, dass wir nicht der heldenhaften Unverletzlichkeit einer Marvel-Figur nacheifern, sondern uns selbst gegenüber eine wohlwollende, barmherzige und liebevolle Haltung bewahren. Dieses Selbstmitgefühl öffnet den Raum, in dem wir Geborgenheit finden, zur Ruhe kommen und neue Kraft schöpfen...
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Literatur: Social and Personality Psychology Compass 10.1111/spc3.12978 | 147 comments on LinkedIn