Torstraße: Auf die Barrikaden für die Bäume
„Wir dachten eigentlich, wir sitzen dann hier zu zwanzigst an diesem schönen langen Tisch und können das richtig diskutieren“, sagt Mittes Stadtentwicklungsstadtrat Ephraim Gothe (SPD) ziemlich zu Beginn der Veranstaltung am Mittwochabend. Doch weit gefehlt. Weit über 200 Menschen wollen in den Räumen der Volkssolidarität an der Torstraße erfahren, wie sich die Senatsverkehrsverwaltung von Senatorin Ute Bonde (CDU) den Umbau der Straße vorstellt, der bereits im kommenden Jahr beginnen soll. Schnell fällt die Entscheidung, die Veranstaltung in zwei Runden durchzuführen. Denn mehr als 100 Menschen passen beim besten Willen nicht in den Raum.
Immerhin Fahrradwege soll es geben. Das ist schon das einzig Positive, was sich aus Sicht des BUND Berlin über die Planungen der Senatsverkehrsverwaltung für die im kommenden Jahr beginnende Sanierung der Torstraße in Mitte feststellen lässt. Obwohl die Straße alle Voraussetzungen hätte, zu einem attraktiven innerstädtischen Boulevard aufgewertet zu werden, ordnen sich alle Ziele dem unbedingten Erhalt als Autoschneise mit vier Fahrspuren unter. Auf einer Straßenseite soll sogar der neue Hochbord-Radweg von der derzeitigen Bürgersteigfläche abgezwackt werden.
Stadtentwicklungsstadtrat Gothe und sein Stadtratskollege Christopher Schriner (Grüne), der in Mitte für Verkehr und Grünflächen zuständig ist, sehen das im Prinzip nicht anders. Deswegen haben sie auch zur Dialogveranstaltung eingeladen, obwohl die Planung für die Torstraße wie bei allen Hauptstraßen in der Hand der Senatsverkehrsverwaltung liegt.
Verkehrsverwaltung lehnt Beteiligung ab
Man habe gleich nach Amtsantritt des neuen Verkehrs-Staatssekretärs Arne Herz (CDU) gemeinsam einen Brief an ihn geschrieben, mit dem Wunsch, eine gemeinsame Beteiligungsveranstaltung zur Torstraße zu veranstalten, berichtet Schriner. „Die Antwort war recht ernüchternd. Man sei schon so fortgeschritten in der Planung, dass das nicht mehr passt. Und dass im November informiert werde und dann im nächsten Jahr ausgeschrieben, vergeben und gebaut werden soll“, so Schriner weiter.
„Wir sind der festen Überzeugung, dass nur dann Verständnis für einen großen Straßenumbau passieren kann, wenn alle frühzeitig davon wissen, wenn sie auch wissen, was passiert und wenn sie auch wissen, warum das passiert. Wir hatten große Zweifel, dass das bei der vorliegenden Planung so ist“, sagt der Stadtrat.
40 Bäume sollen fallen
Die zu fällenden Bäume in der Torstraße sind mit einer Krepp-Banderole markiert. Fotos: BUND Berlin/Nicolas Šustr
40 Bäume sollen für den Umbau gefällt werden, aber nur 29 nachgepflanzt. Wobei man wisse, wie lang es dauere, dass neu gepflanzte Bäume so groß sind wie die gefällten. „Das ist also kein Eins-zu-Eins-Ersatz und erst recht nicht, wenn 40 Bäume gefällt werden und nur 29 nachgepflanzt werden sollen“, unterstreicht Schriner.
Baulich sei die Torstraße auf der gesamten Länge von der Chausseestraße bis zur Mollstraße „durch“, sagt Schriner. Es müsse, wie es fachlich heißt, ein grundhafter Aufbau gemacht werden. „Das heißt, die gesamte Straße wird nicht nur oben ein bisschen repariert, sondern eigentlich wird einmal alles genommen, raus, alles neu und wieder drauf.“
Zustand wäre bis ins Jahr 2100 zementiert
„Was wichtig ist, sich klarzumachen ist: Diese Form des Umbaus findet nur alle 50 bis 80 Jahre statt. Das ist also jetzt der Zeitpunkt, wo im Grunde das festgelegt wird, was bis 2100 da ist“, verdeutlich Schriner die Tragweite der Entscheidung.
Rund 16.000 Fahrzeuge nutzen täglich die Torstraße, mit abnehmender Tendenz. „Das gibt eigentlich nicht her, dass man vier Spuren braucht. Man würde auch mit zwei rauskommen“, sagt Schriner. Mit der Senatsplanung werde „das Ziel, dass die Torstraße auch für Menschen und nicht nur für Fahrzeuge stärker nutzbar ist“, insgesamt nicht erreicht.
Halbierter Gehweg
Betrachte man die Südseite, „kann man ganz klar sagen, dass der Gehweg letztlich halbiert wurde für eine weitere Autospur“. Das führe dazu, dass der Radweg auf den Gehweg hochgelegt wird. Teilweise wäre der Gehweg dann nur noch 2,50 Meter breit, obwohl die entsprechende Verordnung in so einer belebten Straße vier bis fünf Meter Breite vroschreibe. Damit solle eine Planung in den Bau gebracht werden, „die automatisch zu Konflikten führen wird und letztlich zugunsten eines weiteren Fahrstreifen für Autos geplant ist“, der außerhalb der Stoßzeiten als Parkplatz dienen soll. „Auch hier ist unsere ganz klare Erfahrung: Diese Uhrzeitenregelungen werden nicht eingehalten“, sagt Schriner.
Die Meinungen der Anwohnenden zu Verkehrsfragen gehen auseinander. Insbesondere ältere Menschen, die das Wort ergreifen, pochen auf wohnungsnahe Parkplätze, manche stellen auch den Bedarf für Radwege infrage. Schließlich gebe es mit der Linienstraße eine parallele Fahrradstraße. Worin sich aber alle einig sind: Die Fällung der Bäume muss unbedingt verhindert werden, allein schon, damit sich die Straße nicht noch weiter aufheizt.
Fahrradstraße Linienstraße ist überlastet
Stadtrat Schriner verweist einerseits auf das Mobilitätsgesetz, das die Anlage von Radwegen beim grundhaften Neubau einer Hauptstraße vorschreibt. Tatsächlich sei die Linienstraße mit bis zu 700 Radfahrenden pro Stunde bereits überlastet, was zu Unfällen führe. Besonders schnell fahrende Radlerinnen und Radler würden auf die Torstraße wechseln, sobald es dort eine Fahrrad-Infrastruktur gebe, erwartet der Grünen-Politiker. Diese wurden von einigen Teilnehmenden als „Kampfradler“ bezeichnet.
„Wir brauchen uns nicht zu streiten, ob die Linienstraße schon eine Fahrradstraße ist. Es gibt eine simple Planung, die beides ermöglicht. Wenn man sich darauf einigt, dass man nur eine Kfz-Spur in die Richtung macht. Das reicht bei weitem für das Verkehrsaufkommen aus“, unterstreicht Schriner. „Und die Bäume könnten stehen bleiben.“
Ausbaupläne für doppelt so viel Autoverkehr
Der derzeit vom Senat geplante Ausbau würde nur dann benötigt, „wenn man 30.000 Autos pro Tag durch die Torstraße führen will“, verdeutlicht Schriner. „Es wäre lauter und unschöner, als wäre nur noch ein Verkehrsrader ohne Aufenthaltsqualität.“
„Es hat Einfluss, wenn Sie sich zu Wort melden“, unterstreicht Stadtentwicklungsstadtrat Ephraim Gothe und nennt den Termin für die Informationsveranstaltung der Senatsverkehrsverwaltung für ihre Umbauplanung der Torstraße. Er soll am 19. November ab 17.30 Uhr in den Räumen der Abteilung Tiefbau in der Brunnenstraße 111 stattfinden. Eine vorherige Anmeldung per E-Mail unter der Adresse torstrasse@senmvku.berlin.de inklusive Angabe der Personenzahl ist notwendig. Stadtrat Christopher Schriner regt an, den Unmut über die Pläne auch an den CDU-Fraktionen in Bezirk und Abgeordnetenhaus mitzuteilen.
Welche Bäume gefällt werden sollen ist nun dank einer engagierten Anwohnerin auch auf der Torstraße ersichtlich. Sie hat alle betroffenen Bäume mit einer Banderole aus Kreppband markiert.
„Die Senatsplanungen für die Torstraße sind ein rückwärtsgewandtes Desaster für Lebensqualität, Verkehrswende und Verkehrssicherheit in der Hauptstadt. Planungen für Straßenbahnstrecken und Radwege werden kassiert, gleichzeitig sollen innerstädtische Autoschneisen jenseits des tatsächlichen Bedarfs um jeden Preis erhalten werden“, sagt Gabi Jung, Geschäftsführerin des BUND Berlin.
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