„Sehr verehrter Herr Dr. Springer!“ – Wie sich berühmte Mathematiker vor hundert Jahren bei ihrem Verleger bedankten

Den in Jugendstil-Optik gehaltenen Briefkopf ziert ein Banner „Mathematische Annalen – Mathematische Zeitschrift“ vor einem Blätterornament. Die Anrede „Sehr verehrter Herr Dr. Springer!“ schmücken kunstvolle gestaltete Initialen. Aber die Bedeutung des Briefs erkennt man am klarsten an den Namen derer, die ihn unter „Berlin und Göttingen, den 17.7.23“ unterzeichneten:

„Klein, D. Hilbert, […], R. Courant, […], M. Born, […], A. Einstein […]“ – insgesamt 23 bedeutende Mathematiker und Physiker, Redaktionsmitglieder der beiden im Banner benannten Journale, bedanken sich bei ihrem Verleger Ferdinand Springer junior für dessen Einsatz für „die deutschen Mathematiker und damit die Wissenschaft überhaupt“. Also das, was wir heute weniger hochtrabend ihre Fachcommunity nennen. Der Anlass ihres Dankesbriefs war die 25. Ausgabe der Mathematischen Zeitschrift und der Mathematischen Annalen.

Dankesbrief an Ferdinand Springer. Veröffentlicht in „Ich bin wirklich glücklich zu preisen, einen solchen Verleger-Freund zu besitzen“. Aspekte mathematischen Publizierens im Kaiserreich und der Weimarer Republik, Volker R. Remmert und Ute Schneider; Mitteilungen der Deutschen Mathematiker-Vereinigung 2006, S. 196 ff., https://doi.org/10.1515/dmvm-2006-0091

Der emeritierte Fields-Medaillenträger David Mumford bezieht sich auf das Dankesschreiben der Mathematiker in seinem lesenswerten Essay „Wake Up“. Darin reflektiert er die Entwicklung des mathematischen Publikationswesens im Laufe seiner Karriere. Der Essay ist erschienen in „Numbers and the World: Essays on Math and Beyond“ (Providence, American Mathematical Society, 2023).

Mumford zieht den Brief als Beispiel für eine heilere Welt heran, in der sich Verleger noch persönlich und auf eigenes finanzielles Risiko für die Wissenschaften, die sie betreuten, einsetzten. Einer Zeit, bevor die Finanzabteilungen das letzte Wort bei den Verlagen bekamen und die Verlage in einer Welle von Fusionen von Private-Equity-Firmen übernommen wurden. Und die, zumindest bei herausragenden Persönlichkeiten in den Verlagen, von Verständnis für die Mathematik und ihre Bedürfnisse geprägt war.

Volker Remmert und Ute Schneider zeichneten in einem 2006 in den Mitteilungen der Deutschen Mathematiker-Vereinigung erschienenen Artikel (hier ist der Brief auch frei zugänglich in einem Open-Access-Artikel abgedruckt) ein nuanciertes Bild der wissenschaftlichen Verlage zur Zeit der Weimarer Republik: Insbesondere ordnen sie Springers Engagement für die Mathematik und seine Beziehungen zu Mathematikern in eine (erfolgreiche) Strategie des Verlags in den 1920er-Jahren ein, größere Marktanteile an der mathematischen Literatur zu gewinnen. Und erwähnen auch damalige Kritik aus dem Ausland an als überzogen wahrgenommenen Preisen bei Springer.

Eine Kritik, die nicht so gänzlich anders klingt als Mumfords pointierte Darstellung der Geschäftsmodelle der wissenschaftlichen Verlage. Im Gegensatz zu den Zeiten von Hilbert und Einstein haben heutige Forschende allerdings mit Open Access ein Publikationsmodell zur Auswahl, welches grundsätzlich ohne kommerzielle Verlage auskommt und bottom-up aus der Wissenschaft heraus funktionieren kann. Die fortschreitende Digitalisierung des gesamten Entstehungsprozesses wissenschaftlicher Literatur macht es möglich, wie auch Mumford in seinem Artikel ausführt.

In der Praxis kommt Open Access in verschiedenen „Farben“ daher. Dabei stehen die Geschäftsmodelle der etablierten Verlage in der Kritik, die soeben eingerissenen Bezahlschranken in Form hoher article processing charges (APCs) wieder aufzubauen. Somit sehen sich Forschende ohne Zugang zu institutioneller Open-Acces-Finanzierung (zum Beispiel Forschende im Globalen Süden) erneut mit Hürden bei der Verbreitung ihrer Forschungsergebnisse konfrontiert.

Engagement durch Forschende für ein Publikationswesen, welches den Werten guter wissenschaftlicher Praxis entspricht, bleibt also einerseits eine wichtige Aufgabe und andererseits ein „Gestaltungsfeld“ (vgl. das DFG-Positionspapier zu wissenschaftlichen Publikationen). Auch wenn kunstvolle Dankesbriefe der Community an in dieser Hinsicht verdiente Kolleginnen und Kollegen leider die Ausnahme darstellen werden.

#Fachzeitschriften #LizenzCCBY40INT #Mathematik #OpenAccessTransformation #Verlage #Wissenschaftsgeschichte

Aus der Reihe "200 Jahre @KIT_Karlsruhe - 100 Objekte": Ein Meilenstein für die Informatik: Der erste Diplom-Informatiker
20.1.1971:Verleihung der ersten Urkunde zum Dipl.-Inform. der TH KA
1969:Gründung des Instituts für Informatik und start des Diplomstudiengangs. KA stellte früh die Weichen für eine softwareorientierte Informatikausbildung — ein Profil, das das KIT bis heute prägt.
Mehr zu diesem Objekt: https://www.100objekte.kit.edu/object/076/
#KIT #Informatik #Innovation #Wissenschaftsgeschichte #100Objekte

‪Ein bedeutendes Zeugnis der #Wissenschaftsgeschichte kehrt an die #JLUGiessen zurück: Ein silberner Deckelpokal, der #JustusLiebig von seinen Schülern 1851 gewidmet wurde, bereichert die historische Silbersammlung der JLU. www.uni-giessen.de/de/ueber-uns...

Foto: JLU / Barbara Zimmermann #chemie

Unbequeme Disziplingeschichte. 40 Jahre Kommission Wissenschaftsforschung in der @DGfE_eV
Herbst- und Jubiläumstagung der Kommission 2025 vom 6. bis 8. Oktober in der @bbf_dipfberlin in Berlin
https://www.dgfe.de/sektionen-kommissionen-ag/sektion-2-allgemeine-erziehungswissenschaft/kommission-wissenschaftsforschung
#Bildungsgeschichte #Wissenschaftsgeschichte #Erziehungswissenschaft #histed

Unser neues Heft ist erschienen: #WerkstattGeschichte 92 »prekäres wissenschaften«!
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Der Thementeil, hg. v. @jojoweis & @t_winnerling, behandelt historische Fälle von #Machtmissbrauch & #Prekarität in akademischen Kontexten seit dem #Mittelalter:
https://werkstattgeschichte.de/alle_ausgaben/prekaeres-wissenschaften

@histodons @transcript-verlag.bsky.social

#Histodons #TranscriptVerlag #Unigeschichte #IchBinHanna #IchbinReyhan #WissZeitVG #academicchatter #Wissenschaftsgeschichte #Akademia

Aus der Reihe "200 Jahre @KIT_Karlsruhe - 100 Objekte": Pionierin, Forscherin, Namensgeberin:

Irene Rosenberg promovierte 1915 als erste Studentin der Technischen Hochschule Karlsruhe zum Dr.-Ing. Eine weibliche Form? Gab es nicht.

Ihr Vermächtnis lebt weiter: eine Straße am KIT, ein Förderprogramm für Doktorandinnen und ein Preis tragen ihren Namen.

Mehr zu diesem Objekt: https://www.100objekte.kit.edu/object/034/

#KIT #FraueninderWissenschaft #Pionierinnen #Wissenschaftsgeschichte #100Objekte

Neu in correspSearch: Die wissenschaftliche Korrespondenz des Historikers Karl Hegel. (Version 1.0 vom 1. September 2025) https://karl-hegel-briefe.de https://correspsearch.net/de/suche.html?e=DE-2963-karl-hegel-briefe

#correspondence #briefe #wissenschaftsgeschichte

Karl Hegel – Korrespondenz

Aus der Reihe "200 Jahre @KIT_Karlsruhe - 100 Objekte": Tradition, Stolz und ein Schluck Geschichte
„Meine ersten Eindrücke an einer deutschen Technischen Hochschule waren recht sonderbar … ein ausgeprägter Bierdurst, ein mir unverständlicher ›Ehr‹-Begriff und eine kräftige Dosis Überheblichkeit.“
So beschrieb R. Plank, später Prof. für Maschinenbau in Karlsruhe, den Kulturschock.
Mehr zu diesem Objekt: https://www.100objekte.kit.edu/object/031/

#KIT #Studentenleben #Tradition #Wissenschaftsgeschichte #100Objekte

Aus der Reihe "200 Jahre @KIT_Karlsruhe - 100 Objekte": Eine Pionierin für Generationen: Magdalena Meub

Stationen Ihres Lebens:
-Abiturientin des ersten deutschen Mädchengymnasiums
-die erste weibliche Apothekerlehrling Deutschlands
-1904/05 schrieb sie sich als erste Frau an der TH Karlsruhe ein
-Studium der Pharmazie bis 1906, Abschluss mit Auszeichnung

Mehr zu diesem Objekt: https://www.100objekte.kit.edu/object/028/

#KIT #FraueninderWissenschaft #Pionierinnen #Wissenschaftsgeschichte #100Objekte

Tabaktee zur Geburt? Rätselhafter Fund wirft Fragen über die Maya auf | Miss Jones

Ein rätselhafter Fund in Guatemala zeigt: Vor 1.000 Jahren wurde Tabak offenbar getrunken – vielleicht sogar zur Geburt. Was dahintersteckt, liest du hier.

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Aus der Reihe "200 Jahre @KIT_Karlsruhe - 100 Objekte": Tradition, Stolz und ein Schluck Geschichte
„Meine ersten Eindrücke an einer deutschen Technischen Hochschule waren recht sonderbar … ein ausgeprägter Bierdurst, ein mir unverständlicher ›Ehr‹-Begriff und eine kräftige Dosis Überheblichkeit.“
So beschrieb R. Plank, später Prof. für Maschinenbau in Karlsruhe, den Kulturschock.
Mehr zu diesem Objekt: https://www.100objekte.kit.edu/object/031/

#KIT #Studentenleben #Tradition #Wissenschaftsgeschichte #100Objekte