Databroker Files: Adtech enttarnt BND, Bundeswehr und Spezialeinheiten

Databroker Files zeigen, wie Werbedaten BND, Bundeswehr und Polizei enttarnen. Standortdaten aus Apps werden zum Sicherheitsrisiko.

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natĂŒrlich tun sie das. mindestens der BND
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Erwerben deutsche Sicherheitsbehörden DatensÀtze bei externen DatenhÀndlern? Dazu gibt es von der Bundesregierung keine eindeutige Aussage. Eine erschreckende Recherche von @netzpolitik_feed und @br_data

https://netzpolitik.org/2025/sicherheitsbehoerden-und-databroker-bundesregierung-macht-datenkauf-zum-staatsgeheimnis/

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Sicherheitsbehörden und Databroker: Bundesregierung macht Datenkauf zum Staatsgeheimnis

Die Bundesregierung verweigert Transparenz darĂŒber, ob deutsche Sicherheitsbehörden bei DatenhĂ€ndlern einkaufen. Die Frage ist brisant, denn fĂŒr den Kauf gĂ€be es keine sichere Rechtsgrundlage. Das zeigen Dokumente aus dem Bundestag, die wir exklusiv vorab veröffentlichen.

netzpolitik.org

Staatsgeheimnis

Sicherheitsbehörden und Databroker: Bundesregierung macht Datenkauf zum Staatsgeheimnis

Die Bundesregierung verweigert Transparenz darĂŒber, ob deutsche Sicherheitsbehörden bei DatenhĂ€ndlern einkaufen. Die Frage ist brisant, denn fĂŒr den Kauf gĂ€be es keine sichere Rechtsgrundlage. Das zeigen Dokumente aus dem Bundestag, die wir exklusiv vorab veröffentlichen.

Diese Recherche entstand in Kooperation mit dem Bayerischen Rundfunk. Sie ist Teil der Databroker Files.

Seit Monaten hĂ€ufen sich Berichte ĂŒber menschenfeindliche Übergriffe von Beamt*innen der US-Abschiebebehörde ICE. Sie inhaftieren massenhaft Menschen, die nach dem Willen der Regierung von US-PrĂ€sident Donald Trump das Land verlassen sollen. Um sie aufzuspĂŒren, kann die Behörde ein mĂ€chtiges Werkzeug nutzen: Mit Tracking-Daten aus der Online-Werbeindustrie kann sie Milliarden Standorte von Handys ausspionieren.

Die Angebote fĂŒr solche Informationen kommen von Databrokern und darauf spezialisierten Dienstleistern. Gesammelt werden die Daten angeblich nur zu Werbezwecken, doch auch staatliche Stellen können beherzt zugreifen. Kommerzielle und staatliche Überwachung sind weltweit inzwischen eng verwoben.

Neue Dokumente aus dem Bundestag zeigen jetzt: Die Bundesregierung verweigert zwar eine Auskunft darĂŒber, ob deutsche Sicherheitsbehörden auf solche Standortdaten zugreifen – die Möglichkeit schließt sie aber ausdrĂŒcklich nicht aus.

Zugleich nĂ€hrt ein neues Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages Zweifel daran, ob staatliche Shoppingtouren bei Databrokern ĂŒberhaupt rechtmĂ€ĂŸig wĂ€ren: Bei Bundespolizei und Bundeskriminalamt fehlt demzufolge eine ErmĂ€chtigungsgrundlage; selbst fĂŒr die mit weitreichenden Befugnissen ausgestatteten Geheimdienste ist die Rechtslage unklar.

„Wir haben es hier mit einer echten Black Box zu tun“, konstatiert die Bundestagsabgeordnete Donata Vogtschmidt (Die Linke). Sie lehnt es ab, dass Sicherheitsbehörden den Handel mit Werbedaten anheizen. Als „eindeutig rechtswidrig“ bezeichnet Polizeirechtler Mark Zöller von der Ludwig-Maximilians-UniversitĂ€t MĂŒnchen​​​​​​​ mögliche DatenkĂ€ufe durch Sicherheitsbehörden. Auch Geheimdienstforscher Thorsten Wetzling von der Denkfabrik Interface warnt: Behörden könnten beim Kauf von Datenbanken verfassungswidrig handeln.

Regierung verweigert Transparenz

Über die vielfĂ€ltigen Gefahren von Handy-Standortdaten aus der Werbeindustrie haben wir in unserer Recherche-Reihe Databroker Files ausfĂŒhrlich berichtet. Anhand echter DatensĂ€tze konnten wir zeigen, wie detaillierte Bewegungsprofile auch Millionen Menschen in Deutschland gefĂ€hrden. Ausspionieren lassen sich sogar Angestellte von Regierung, MilitĂ€r und Geheimdiensten. DatenschĂŒtzer*innen gehen davon aus, dass der Datenhandel in der Regel gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verstĂ¶ĂŸt.

Wie also hÀlt es die Bundesregierung mit Databrokern? Das und mehr wollte die Bundestagsabgeordnete Donata Vogtschmidt durch eine Kleine Anfrage erfahren. Solche Anfragen sind ein Werkzeug, das die Fraktionen im Bundestag nutzen können, um die Regierung zu kontrollieren.

In der Antwort, die wir hier veröffentlichen, stellt die Bundesregierung bei den entscheidenden Fragen keine Transparenz her. Fragen dazu, ob Sicherheitsbehörden wie Bundeskriminalamt (BKA) und Bundespolizei bei Databrokern einkaufen, beantwortet sie nicht. Sie tut dies auch nicht in „eingestufter Form“; das heißt, selbst unter Ausschluss der Öffentlichkeit sollen die Abgeordneten keine Informationen zu einer möglichen Teilnahme am umstrittenen Datenhandel bekommen.

„Auch ein geringfĂŒgiges Risiko des Bekanntwerdens derart sensibler Informationen kann unter keinen UmstĂ€nden hingenommen werden“, rechtfertigt sich die Bundesregierung. Demnach könnten „TĂ€ter oder potenzielle Zielpersonen ihr Verhalten anpassen und kĂŒnftige Maßnahmen dadurch erschweren oder gar vereiteln“. Weiter könnte eine Antwort „fremde staatliche Akteure dazu verleiten, entsprechende Dienste anzugreifen, um die jeweiligen DatenbestĂ€nde im eigenen Sinne zu manipulieren.“

„Absolut nicht hinnehmbar“

Möglich ist es jedoch durchaus, dass deutsche Sicherheitsbehörden bereits bei Databrokern einkaufen. So schreibt die Regierung:

Die Bundesregierung schließt nicht aus, dass der Bezug von personenbezogenen Daten von DatenhĂ€ndlern im Einzelfall zur ErfĂŒllung ihrer Aufgaben angemessen sein kann. Dies muss im jeweiligen Einzelfall unter BerĂŒcksichtigung der jeweiligen Rechtslage individuell geprĂŒft werden.

Details nennt die Bundesregierung lediglich bei weniger sicherheitsrelevanten Behörden. So kauft etwa das „Bundesamt fĂŒr Kartographie und GeodĂ€sie“ seit einigen Jahren regelmĂ€ĂŸig personenbezogene Daten ​​bei kommerziellen Anbietern. Zum Beispiel bei einem Unternehmen, das nach eigenen Angaben unter anderem Adressen von Arztpraxen, Apotheken und KrankenhĂ€usern anbietet. Solche Daten sind jedoch weitaus weniger brisant als etwa detaillierte Bewegungsprofile von Handy-Nutzenden.

Die grĂ¶ĂŸtenteils ausgebliebene Antwort der Bundesregierung auf ihre Kleine Anfrage kritisiert die Abgeordnete Donata Vogtschmidt scharf: „Es ist absolut nicht hinnehmbar, dass die Bundesregierung die Öffentlichkeit im Unklaren darĂŒber lĂ€sst, ob und in welcher Form Sicherheitsbehörden persönliche Daten einkaufen, die die Menschen vermeintlich freiwillig fĂŒr Werbezwecke freigegeben haben.“ Die Digitalpolitikerin fordert ​“​​​​​Transparenz darĂŒber, wie und auf welcher Rechtsgrundlage deutsche Sicherheitsbehörden am Markt fĂŒr kommerzielle GeschĂ€fte mit persönlichen Daten beteiligt sind“.

Weiter kritisiert die Abgeordnete, dass der riesige und in der Öffentlichkeit kaum bekannte Markt fĂŒr personenbezogene Daten entstehen konnte: „Wie konnte es ĂŒberhaupt dazu kommen?“ Eine Reform der DSGVO wĂ€re wichtig, so Vogtschmidt, wĂŒrde das Problem aber nicht an der Wurzel packen. Als solche benennt sie den Kapitalismus und das unausgeglichene KrĂ€fteverhĂ€ltnis zwischen Konzernen und Betroffenen. Ihre Forderung: „Wir brauchen Online-Plattformen im Gemeinwohl ohne Profitabsichten.“

Mehr Transparenz in anderen Staaten

WĂ€hrend die Bundesregierung jeglichen Einblick in mögliche DatenkĂ€ufe durch Sicherheitsbehörden fĂŒr ein Risiko hĂ€lt, liefern andere Staaten mehr Transparenz. EinkĂ€ufe von Handy-Standortdaten durch US-Behörden wurden spĂ€testens ab dem Jahr 2020 schrittweise bekannt. Im November stellte ein Bericht des Kontrollgremiums PCLOBheraus, dass das FBI Kunde bei kommerziellen Datensammlern wie Clearview AI und Babel Street ist.

In den Niederlanden beaufsichtigt das Gremium CTIVD die Geheimdienste. Bereits dessen Bericht aus dem Jahr 2018 handelte davon, wie Agent*innen kommerzielle DatensĂ€tze erworben haben. Auch in Norwegen bestĂ€tigte das parlamentarische Kontrollgremium EOS-Committee 2023 in einem öffentlichen Bericht, dass der militĂ€rische Geheimdienst massenhaft personenbezogene Daten gekauft hat. Die Aufseher*innen sparten nicht mit Kritik, weil der Behörde fĂŒr das Daten-Shopping eine Rechtsgrundlage fehlte.

Eine grundsĂ€tzliche Kritik am Handel mit personenbezogenen Daten aus dem Ökosystem der Online-Werbung ist, dass er in der Regel gegen das europĂ€ische Datenschutzrecht verstĂ¶ĂŸt. Die Daten aus dem Angebot von Databrokern haben oftmals schon eine lange Reise hinter sich, noch bevor Sicherheitsbehörden ĂŒberhaupt ins Spiel kommen. Bereits die Erhebung, etwa durch Apps und Tracking-Firmen, kann rechtswidrig sein, weil die Einwilligung der Nutzer*innen oft nicht informiert erfolgt und somit ungĂŒltig ist. Der Weiterverkauf wiederum kann gegen die Zweckbindung verstoßen, die etwa die DSGVO verlangt. Von Werbezwecken kann nĂ€mlich keine Rede mehr sein, sobald die Daten zur offenen Handelsware werden.

Diesen Standpunkt vertrat 2024 auch das deutsche Verbraucherschutzministerium. JĂŒngst sprach die Bundesdatenschutzbeauftragte Louisa Specht-Riemenschneider im Interviewmit netzpolitik.org von einer „unglaublichen Masse an Daten, die rechtswidrig genutzt werden“.

Datenkauf als „besondere Gefahr“ fĂŒr Grundrechte

HĂ€tten Sicherheitsbehörden des Bundes ĂŒberhaupt eine Rechtsgrundlage, um bei Databrokern einzukaufen? Dieser Frage geht ein neues Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages nach. Die dort tĂ€tigen Forscher*innen arbeiten laut Selbstbeschreibung parteipolitisch neutral und sachlich objektiv. Ebenfalls im Auftrag der Abgeordneten Vogtschmidt haben sie die „rechtlichen Voraussetzung und Grenzen des behördlichen Ankaufes von personenbezogenen Daten aus Werbedatenbanken“ untersucht. Hier veröffentlichen wir das 25 Seiten umfassende Gutachten [PDF].

Aus dem Gutachten geht hervor: Sicherheitsbehörden fehlt eine klare Rechtsgrundlage fĂŒr den Kauf von personenbezogenen Daten von Databrokern. Der Kauf kann zudem einen weitreichenden Grundrechtseingriff darstellen, fĂŒr den es deshalb sehr hohe HĂŒrden gibt. So könnten die Behörden damit etwa in das Recht auf informationelle Selbstbestimmungeingreifen.

„Betroffene können in aller Regel weder ĂŒberschauen noch beherrschen, welche Daten aus welchen Quellen in Werbedatenbanken gespeichert und miteinander verknĂŒpft werden“, schreiben die Wissenschaftler*innen. Zudem besteht „beim Ankauf von Daten aus Werbedatenbanken eine besondere Gefahr von Eingriffen in den Kernbereich privater Lebensgestaltung“.

Wie intim Erkenntnisse aus solchen Daten sein können, zeigen die Databroker Files: Handy-Ortungen offenbarten beispielsweise Besuche in Bordellen, Kliniken oder GefĂ€ngnissen; die Nutzung bestimmter Apps kann Aufschluss ĂŒber Krankheiten oder sexuelle Orientierunggeben.

Wissenschaftliche Dienste: schwere Belastung fĂŒr Betroffene

Weiter gehen die Wissenschaftler*innen auf die „Schwere der Belastung“ von Betroffenen ein, wenn Behörden ihre personenbezogenen Daten kaufen. ZunĂ€chst erfahren die Betroffenen nichts davon, die Maßnahme ist also heimlich. Außerdem könne es sein, dass die Daten selbst rechtswidrig erhoben wurden. Weiter sei unklar, ob die gekauften Daten â€žĂŒberhaupt inhaltlich korrekt“ sind.

Eine Studie des NATO-Forschungszentrums Stratcom schĂ€tzte 2021, dass im Durchschnitt nur 50 bis 60 Prozent der Daten von Databrokern „als prĂ€zise angesehen werden können.“ Auch unsere Recherchen zeigten, dass immer wieder Zeitstempel oder GerĂ€te-Kennungen in den DatensĂ€tzen von Databrokern falsch sind. Im Fall von geheimdienstlicher Überwachung könnten also Unbeteiligte ins Visier geraten.

Bei BKA und Bundespolizei konstatiert das Gutachten, dass ihnen eine „ErmĂ€chtigungsgrundlage“ fehle, um solche Daten zu kaufen. Das heißt: Es gibt in den Gesetzen, die die Arbeit dieser Sicherheitsbehörden regeln, keine Normen, die ein Shopping bei Databrokern erlauben oder rechtfertigen wĂŒrden.

Weniger deutlich fĂ€llt die rechtliche Einordnung allerdings bei den Geheimdiensten des Bundes aus, also Bundesnachrichtendienst, Bundesamt fĂŒr Verfassungsschutz und MilitĂ€rischer Abschirmdienst. Auch hier finden die Wissenschaftlichen Dienste keine ausdrĂŒckliche Rechtsgrundlage. Allerdings kommen sie zu dem Ergebnis, dass der Kauf solcher Daten möglicherweise in EinzelfĂ€llen gerechtfertigt sein könnte, wenn auch unter sehr begrenzten UmstĂ€nden.

Das Gutachten stellt zudem heraus:

Unter welchen UmstĂ€nden und mit welchen Methoden die Daten erhoben und in die Datenbank eingepflegt wurden, ist daher völlig offen und fĂŒr den ankaufenden Nachrichtendienst auch kaum mit hinreichender Sicherheit ĂŒberprĂŒfbar. Es erscheint daher möglich, dass Nachrichtendienste durch den Ankauf an Daten gelangen könnten, die sie im Wege einer Überwachung nicht selbst erheben dĂŒrften.

„Der Rechtsstaat versteckt keine Elefanten hinter MĂ€uselöchern“

Thorsten Wetzling forscht fĂŒr die gemeinnĂŒtzige Denkfabrik Interface zu Geheimdiensten und ADINT. So nennt man die Erlangung geheimdienstlicher Erkenntnisse („intelligence“) durch Daten aus der Werbeindustrie („Ad“). Gerade die Aussicht auf Daten, die Geheimdienste sonst nicht erheben dĂŒrften, sieht Wetzling als wesentlichen Anreiz fĂŒr ADINT. Hierbei könnten sich Geheimdienste auch umfangreiche Genehmigungsverfahren, NutzungsbeschrĂ€nkungen und Kontrollvorgaben sparen.

Mit Blick auf das Gutachten beschreibt Wetzling die unklare Rechtslage als besorgniserregend. Gewichtige GrĂŒnde sprechen ihm zufolge dagegen, dass die entsprechenden Normen den verfassungsrechtlichen Standards der Bestimmtheit und der VerhĂ€ltnismĂ€ĂŸigkeit entsprechen.​​​​​ Der Forscher warnt:

​​​​​Sollte die Bundesregierung nachrichtendienstliche DatenkĂ€ufe tĂ€tigen, so ist deren rechtliche Grundlage ungewiss und verfassungswidriges Handeln durchaus möglich.

Die Bundesdatenschutzbeauftragte Louisa Specht-Riemenschneider deutet die Rechtslage Ă€hnlich. Ankauf und Nutzung von Werbedaten bedĂŒrften „spezieller gesetzlicher Regelungen, welche fĂŒr die Sicherheitsbehörden bisher nicht bestehen“, schreibt ein Sprecher auf Anfrage von netzpolitik.org und BR. Eine allgemeine ErmĂ€chtigungsgrundlage reiche nicht aus. „Hier gilt: Der Rechtsstaat versteckt keine Elefanten hinter MĂ€uselöchern“, so der Sprecher.

Deutlich wird auch Mark Zöller, der an der Ludwig-Maximilians-UniversitĂ€t MĂŒnchen zu Polizeirecht forscht. Er sagt, es wĂ€re „eindeutig rechtswidrig“, wenn Behörden personenbezogene Daten aus der Werbeindustrie kaufen wĂŒrden. „Eine spezielle ErmĂ€chtigungsgrundlage fĂŒr den Ankauf solch privater DatenbestĂ€nde gibt es in keinem Sicherheitsgesetz in der Bundesrepublik Deutschland.“ Es sei jedoch typisch fĂŒr Sicherheitsbehörden, dass sie neue Instrumente ohne Rechtsgrundlage erst mal nutzen wĂŒrden, „bis sich Widerstand regt“. Juristisch könne das aber zum Problem werden, weil damit auch die gerichtliche Verwertbarkeit auf diesem Weg erlangter Beweise in Frage stehe.

Forscher Thorsten Wetzling sieht im Ankauf kommerzieller Daten „einen Paradigmenwechsel bei der nachrichtendienstlichen Informationsbeschaffung“, der dringend reguliert werden muss. Das Mandat der unterschiedlichen Gremien zur Kontrolle der Geheimdienste sei fĂŒr das PhĂ€nomen nicht ausreichend. ​​​​​​​Der Gesetzgeber sollte bei der anstehenden Geheimdienstreform jedoch nicht nur auf ADINT schauen, sondern „die ganze Palette des möglichen Zusammenwirkens privater und öffentlicher Stellen nĂ€her in den Blick nehmen“. Im Falle einer gesetzlichen Regelung fordert Wetzling eine Diskussion ĂŒber Schutzvorkehrungen beim Kauf sensibler Daten – bis hin zu einem möglichen Verbot, hochsensible Daten ĂŒberhaupt zu kaufen.

Die Versuchung der Daten

DarĂŒber, wie Geheimdienste mit Databrokern umgehen sollten, gibt es im Bundestag gespaltene Meinungen. „Ich lehne es ab, dass Sicherheitsbehörden den vor Datenschutzverletzungen strotzenden Handel mit Werbedatenbanken anheizen und fordere einen gesetzlichen Riegel davor“, sagt Linken-Abgeordnete Donata Vogtschmidt mit Blick auf die neusten Recherchen. Bereits zuvor sagte sie: „Geheimdienste sind Fremdkörper in der Demokratie und mĂŒssen schrittweise durch Informationsstellen ohne nachrichtendienstliche Mittel ersetzt werden“.

Eine ambivalente Position Ă€ußerte der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter gegenĂŒber netzpolitik.org und BR im Sommer 2024: „Angesichts der Bedrohungslage und der Ressourcenknappheit kann es durchaus sinnvoll sein, auch solche Daten verstĂ€rkt fĂŒr die AufklĂ€rung zu nutzen.“ Andererseits sprach er davon, DatenmarktplĂ€tze und VerkĂ€ufer zu regulieren, „damit solche DatensĂ€tze nicht von gegnerischen auslĂ€ndischen Diensten im Rahmen hybrider KriegsfĂŒhrung verwendet werden“ und um „unsere BĂŒrger vor dem Datenabgriff durch auslĂ€ndische Staaten zu schĂŒtzen.“

Der Abgeordnete Konstantin von Notz (GrĂŒne) sprach sich 2024 fĂŒr eine rechtliche KlĂ€rung aus. Er verglich das mit anderen Mitteln wie etwa dem Abhören von TelefongesprĂ€chen, bei denen es auch klare Regeln gibt.

Auch der Thinktank Hybrid CoE, bei dem Fachleute im Auftrag von EU und NATO hybride Bedrohungen erforschen, bewertet ADINT als zweischneidig. „Die Frage, ob die Chancen die Risiken ĂŒberwiegen, ist schwer zu beantworten, da sich beide offenbar die Waage halten“, sagte Sprecherin Kirsi Pere auf Anfrage von netzpolitik.org.

Aus Perspektive von Daten- und Verbraucherschutz sollten die Maßnahmen bereits frĂŒher ansetzen, und zwar schon bei der schieren AnhĂ€ufung der Daten. Nicht zuletzt der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert ein Verbot von Tracking und Profilbildung zu Werbezwecken.

EU-Kommission: „wachsendes Problem“

Zumindest scheint im Zuge der Databroker Files das Bewusstsein dafĂŒr zu wachsen, wie gefĂ€hrlich es ist, wenn Angebote von Databrokern praktisch allen offenstehen. Am 4. November haben netzpolitik.org und Recherche-Partner berichtet, wie DatenhĂ€ndler metergenaue Standortdaten von EU-Personal verkaufen. Wenig spĂ€ter, am 19. November, thematisierte die EU-Kommission Databroker in einem Schreiben an EU-Parlament und Ministerrat. Darin heißt es, leicht gekĂŒrzt und aus dem Englischen ĂŒbersetzt:

Der Handel mit personenbezogenen Daten ist zu einem wachsenden Problem geworden. Solche intransparenten Praktiken untergraben zentrale GrundsĂ€tze des Datenschutzrechts und der PrivatsphĂ€re, verzerren den Wettbewerb und unterminieren das öffentliche Vertrauen in digitale MĂ€rkte. Eine konsequentere Durchsetzung der bestehenden Vorschriften ist erforderlich. Die Kommission wird prĂŒfen, ob zusĂ€tzliche Schutzmaßnahmen notwendig sind, um diese Praktiken einzudĂ€mmen und die Transparenz im Datenhandel zu erhöhen.

Dabei stehen die Zeichen eigentlich auf Deregulierung. Anlass des Schreibens ist das Vorhaben der EU-Kommission, Daten fĂŒr KI-Innovationen zu befreien. Auch der Digitale Omnibus, ein Gesetzpaket der EU-Kommission, will Unternehmen beim Datenschutz mehr freie Hand lassen. Offenbar erweisen sich die Databroker Files als Sand im Getriebe der Deregulierung.

Bundesregierung „beobachtet aufmerksam“

Noch im Herbst hatte sich die Bundesregierung mit möglichen RegulierungslĂŒcken beim Handel mit personenbezogenen Daten beschĂ€ftigt. Anlass war eine schriftliche Frage des Abgeordneten Konstantin von Notz (GrĂŒne). Eine LĂŒcke können etwa DatenmarktplĂ€tze sein, die Kontakt zwischen Databrokern und potenziellen KĂ€ufern herstellen. Prominentes Beispiel fĂŒr einen Datenmarktplatz ist der Berliner Anbieter Datarade, der offenbar durch die Maschen der Datenschutz-Regulierung schlĂŒpft und sogar von einer teilweise staatlichen Investition profitiert hat. Über Datarade konnte netzpolitk.org Kontakt zu einem DatenhĂ€ndler herstellen, der dem Team letztlich 3,6 Milliarden Handy-Standortdaten aus Deutschland zur VerfĂŒgung stellte.

In ihrer Antwort vom 16. September schreibt die Bundesregierung, sie „beobachtet aufmerksam die Entwicklungen im Bereich des Datenhandels“. Auch DatenmarktplĂ€tze erwĂ€hnt sie ausdrĂŒcklich. Zu Konsequenzen Ă€ußert sie sich jedoch zurĂŒckhaltend. „Sollte sich zeigen, dass zusĂ€tzliche Regelungen erforderlich sind, wird die Bundesregierung die erforderlichen Schritte prĂŒfen“, heißt es. „Dies kann, je nach Sachlage, auch gesetzgeberische Maßnahmen einschließen.“

Allein in den drei Monaten nach dieser Antwort sind vier große EnthĂŒllungen ĂŒber die Gefahren von Handy-Standortdaten erschienen – mit Daten aus Belgien, Irland, Frankreichund Italien.

Ingo Dachwitz ist Journalist und Kommunikationswissenschaftler. Seit 2016 ist er Redakteur bei netzpolitik.org und u.a. Ko-Host des Podcasts Off/On. Er schreibt hĂ€ufig ĂŒber Datenmissbrauch und Datenschutz, Big Tech, Plattformregulierung, Transparenz, Lobbyismus, Online-Werbung, WahlkĂ€mpfe und die Polizei. 2024 wurde er mit dem Alternativen Medienpreis und dem Grimme-Online-Award ausgezeichnet. Ingo ist Mitglied des Vereins Digitale Gesellschaft sowie der Evangelischen Kirche. Seit 02/2025 ist sein Buch erhĂ€ltlich: “Digitaler Kolonialismus: Wie Tech-Konzerne und GroßmĂ€chte die Welt unter sich aufteilen”. Kontakt: E-Mail (OpenPGP), Mastodon, Bluesky, FragDenStaat. Sebastian Meineck ist Journalist und seit 2021 Redakteur bei netzpolitik.org. Zu seinen aktuellen Schwerpunkten gehören digitale Gewalt, Databroker und Jugendmedienschutz. Er schreibt einen Newsletter ĂŒber Online-Recherche und gibt Workshops an UniversitĂ€ten. Das Medium Magazin hat ihn 2020 zu einem der Top 30 unter 30 im Journalismus gekĂŒrt. Seine Arbeit wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem zweimal mit dem Grimme-Online-Award sowie dem European Press Prize. Kontakt: E-Mail (OpenPGP), Sebastian Hinweise schicken | Sebastian fĂŒr O-Töne anfragen | Mastodon. Dieser Beitrag ist eine Übernahme von netzpolitik, gemĂ€ss Lizenz Creative Commons BY-NC-SA 4.0.

Staatsgeheimnis – Beueler-Extradienst

Kaufen deutsche Sicherheitsbehörden Standortdaten von DatenhĂ€ndlern? Ein Bundestagsgutachten sieht Hinweise darauf, die Bundesregierung will es nicht ausschließen.

Experten halten solche KĂ€ufe fĂŒr rechtswidrig.

Unsere neuste Recherche zum Thema Datenhandel, wie immer zusammen mit @sebmeineck und @roofjoke von @netzpolitik_feed

âžĄïž bei @tagesschau und @BR24 zum Lesen und Hören:

https://www.tagesschau.de/investigativ/br-recherche/standortdaten-sicherheitsbehoerden-datenkauf-100.html

https://www.br.de/nachrichten/deutschland-welt/sicherheitsbehoerden-moeglicher-datenkauf-in-der-grauzone,V5kaV48

#databroker #databrokerfiles #standortdaten #datenhandel

Kaufen deutsche Sicherheitsbehörden Standortdaten von DatenhÀndlern?

Kaufen deutsche Sicherheitsbehörden Standortdaten von DatenhĂ€ndlern? Ein Bundestagsgutachten sieht Hinweise darauf, die Bundesregierung will es nicht ausschließen. Experten halten solche KĂ€ufe fĂŒr rechtswidrig.

tagesschau.de

Wir haben mit den #DatabrokerFiles gezeigt, wie gefĂ€hrlich der Handel mit Standortdaten ist. Aber kaufen deutsche Sicherheitsbehörden auch selbst ein? 🛒📍

MdB Vogtschmidt (Linke) hat nachgefragt. Und die Bundesregierung macht daraus ein Staatsgeheimnis. đŸ•”đŸ»â€â™‚ïžđŸ€«

Sie lĂ€sst jedoch durchscheinen, dass die Möglichkeit besteht. Zugleich zeigt ein Gutachten: Solches Shopping bei Databrokern könnte verfassungswidrig sein. âš ïžđŸ‘€

https://netzpolitik.org/2025/sicherheitsbehoerden-und-databroker-bundesregierung-macht-datenkauf-zum-staatsgeheimnis/

– mit @roofjoke @cutterkom @br_data et. al.

Sicherheitsbehörden und Databroker: Bundesregierung macht Datenkauf zum Staatsgeheimnis

Die Bundesregierung verweigert Transparenz darĂŒber, ob deutsche Sicherheitsbehörden bei DatenhĂ€ndlern einkaufen. Die Frage ist brisant, denn fĂŒr den Kauf gĂ€be es keine sichere Rechtsgrundlage. Das zeigen Dokumente aus dem Bundestag, die wir exklusiv vorab veröffentlichen.

netzpolitik.org
Die neueste Veröffentlichung der #DatabrokerFiles zusammen mit @sebmeineck und den Kolleg:innen von @br_data : @cutterkom @rebeccacie & Maximilian Zierer. Vielen Dank an dieses großartige Team, dem einfach nicht der Atem ausgeht.

Die Frage ist brisant, denn ein neues Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestages, das wir ebenfalls veröffentlichen, zeigt: FĂŒr den Kauf gĂ€be es keine sichere Rechtsgrundlage.

Als „eindeutig rechtswidrig“ bezeichnet deshalb der Polizeirechts-Professor Mark Zöller​​​​​​​ mögliche DatenkĂ€ufe durch Sicherheitsbehörden.

Geheimdienstforscher Thorsten Wetzling von der Denkfabrik Interface warnt: Behörden könnten beim Kauf von Datenbanken verfassungswidrig handeln.

#databrokerFiles

Wir haben mit den #DatabrokerFiles einen gigantischen Markt fĂŒr illegale Daten aus der Online-Werbeindustrie aufgedeckt. Eine Frage konnten wir bisher nicht beantworten: Kaufen auch deutsche Sicherheitsbehörden solche Daten?

Die Bundestagsabgeordnete Donata Vogtschmidt hat nachgefragt, doch die Bundesregierung macht daraus ein Staatsgeheimnis: "Unter keinen UmstĂ€nden" dĂŒrfe das bekannt werden. Nicht mal das Parlament könne eingestuft darĂŒber informiert werden.

https://netzpolitik.org/2025/sicherheitsbehoerden-und-databroker-bundesregierung-macht-datenkauf-zum-staatsgeheimnis/

Sicherheitsbehörden und Databroker: Bundesregierung macht Datenkauf zum Staatsgeheimnis

Die Bundesregierung verweigert Transparenz darĂŒber, ob deutsche Sicherheitsbehörden bei DatenhĂ€ndlern einkaufen. Die Frage ist brisant, denn fĂŒr den Kauf gĂ€be es keine sichere Rechtsgrundlage. Das zeigen Dokumente aus dem Bundestag, die wir exklusiv vorab veröffentlichen.

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