4 Lehren aus Square Enix „Triangle Strategy“ für Domain Play
Normalerweise ist im klassischen Fantasy-Rollenspiel die Reise einer bunten Gruppe aus Kriegern, Dieben und Zauberkundigen das zentrale Thema. Doch wie schon in vorherigen Artikeln auf diesen Blog angesprochen, gibt es in den älteren Versionen von Dungeons & Dragons und somit auch in seinen zahlreichen Retroklonen oder Neuinterpretationen der Old-School-Szene Regeln, die davon sprechen, wie hochstufige Krieger über eigene Festungen herrschen können und wie viel der Unterhalt einer Armee kostet.
Statt als ungebundene Wanderer fantastischen Ländereien zu erkunden, erlauben diese Art von Regeln den Spielenden, die Welt aktiv zu formen. Und in dieser Tradition findet man auch durchaus beliebte Kampagnen-Bänder wie „Von eignen Gnaden“ (DSA 4) oder „Kingmaker„ (Pathfinder 1 & 2), bei denen die Spielercharaktere zu einflussreichen Kriegsfürsten aufsteigen können.
Dennoch gibt es beim Domain Play immer wieder Fragen: Wie kann man weiterhin den Fokus auf die Spielercharaktere behalten, wenn sie nun eigentlich nur Entscheidungen treffen und die Arbeit ihren Gefolgsleuten überlassen können? Wie bewahrt man das persönliche Drama und die Wunder der Reise durch eine fantastischen Welt, wenn die Spielenden von oben herab auf diese schauen können? Und wie sorgt man dafür, dass man nach wie vor als eine Gruppe spielen kann, wenn das Spiel der Macht doch gerade dazu einlädt, dass jede Spielfigur nur ihr eigenes Ding dreht?
Natürlich kann man Robert E. Howards Idee folgen: Wenn Conan der Barbar als König endet, kommt die Gefahr zu ihm in Form eines Attentatsversuchs und eines grauenhaften Dämonen. Doch tatsächlich ist in der Geschichte „Der Phönix auf dem Schwert“ Conan eher der Antagonist und die eigentlichen Protagonisten sind die Verschwörer, die seinen Tod planen.
Ich schaue mir daher im Folgenden ein japanisches Videospiel von 2023 an, bei dem die Hauptfiguren als die Anführer eines Adelshauses zwischen die Fronten von den drei Großmächten geraten, welche den Kontinent kontrollieren: „Triangle Strategy“ von Square Enix.
Ich konnte 4 Lehren formulieren, die eine Gruppe sich aus diesem Spiel für das Domain Play am eigenen Tisch abschauen kann.
1. Macht es persönlich
In Triangle Strategy ist die Hauptfigur der Erbe eines Herrschaftsgebietes, dass direkt zwischen den drei Parteien liegt. Diese drei Fraktionen bleiben keine unpersönliche Gruppierungen, sondern erhalten konkrete Gesichter durch verschiedene Figuren, darunter auch der Hofstaat der Hauptfigur.
Der Kronprinz des Flusskönigreiches ist sein bester Freund und sein Berater der treuste Vasall seines Vaters. Seine Verlobte ist zum einen am Hof des militaristischen Erzherzogs im Norden aufgewachsen und zum anderen Teil eines Volkes, welches vom Gottesstaat im Süden brutal als Sünder verfolgt und versklavt wird. Dadurch wird die Hauptfigur direkt in die Konflikte dieser Fraktionen verstrickt und diese Konflikte schlagen sich in seinen direkten Umfeld wieder.
Idealerweise sollten am eigenen Spieltisch ebenso alle Fraktionen für die Spielenden mit konkreten NSCs in Verbindung gebracht werden können. Sehr wahrscheinlich werden die Spielende selbst verschiedene Fraktionen und deren Interessen darstellen und verkörpern wollen.
2. Kein Absolutismus
Entscheidungen zu treffen sind ein wichtiger Teil des Spielprinzips von Triangle Strategy. Die Hauptfigur muss häufig eine Wahl treffen. Gerade gegen Ende aber steht meist nur Pest oder Cholera zur Auswahl und seine Freunde haben alle ihre eigenen Meinungen, welche Entscheidung das kleinere Übel sei. Das Spiel bietet als Lösung in diesen Fällen eine dreiseitige Waage an, über die die Figuren abstimmen können. Um die Geschichte in eine bestimmte Richtung zu leiten, kann die Hauptfigur versuchen, andere Figuren zu überreden, die noch unsicher sind.
Auch am Spieltisch sollte man wichtige Entscheidungen, welche die eigene Domäne betreffen, gemeinsam diskutieren und im Notfall über eine Wahl entscheiden.
Jedoch sollte man hierbei erwähnen, dass die Moral von Triangle Strategy auf keinen Fall ist, dass man alle angebotene Optionen ohne Diskussionen akzeptieren muss. Gute Anführer sollten immer nach einem dritten, vierten, fünften oder sechsundzwanzigsten Weg Ausschau halten. Und dabei zählt: Wissen ist Macht!
3. Achtung! Streng vertraulich!
Jenseits der Schlachtfelder, wo Strategie und Taktik den Sieg erringen, arbeiten viele Fraktionen im Verborgenen. Die Hauptfigur und seine Freunde stolpern im Laufe der Geschichte über viele Geheimnissen. Und manche dieser Geheimnisse haben die Macht, das ganze Gefüge der Welt auf den Kopf zu stellen, was es wert macht, für sie zu kämpfen und zu töten. Alle Erzfeinde im Spiel bauen ihre Macht letztendlich darauf auf, dass sie wichtige Fakten des Geschichte zu ihren Gunsten verzehren können. Und ein wichtiger Schritt für den Sieg der Spielfiguren besteht darin, diese Täuschungen zu durchschauen und rückgängig zu machen, da sie dadurch neue Verbündete finden können.
Dies ist Ihnen nur möglich, da sie trotz ihrer Macht sich selbst in Gefahr begeben haben. Auch bei klassischen Rollenspielgruppen sind Geheimnisse etwas, dass anders als ein magische Schwert niemals wirklich an Wert verliert. Denn gutes Wissen erlaubt gute Entscheidungen und das ist für Herrscher Gold wert. Doch Wissen kann auch gefährlich sein, denn es kann Menschen verändern.
4. Menschen ändern sich
In Triangle Strategy werden die Freunde der Hauptfigur gegen Ende des Spiels angesichts dramatische Erlebnisse und Entdeckungen zunehmend radikalisiert. Dies kann schließlich dazu führen, dass je nach Entscheidung der Hauptfigur der eine oder andere Freund das Team verlässt und sich stattdessen eine der gegnerischen Fraktionen anschließt.
Auch am eigenen Spieltisch sollten sowohl Spielerfiguren als auch Nichtspielerfiguren sich ändern dürfen. Dies mag dazu führen, dass es zu unüberbrückbare Differenzen kommt und sich bislang bestehende Allianzen auflösen und neue Feindschaften bilden. Denn letztendlich ist Macht das Mittel, mit dem man seine eigenen Überzeugungen durchsetzen will. Eine gewisse Selbstsüchtigkeit ist notwendig, damit Figuren in Geschichten wirklich lebendig werden. Ein Charakter, mit dem man aktiv um eine weitere Zusammenarbeit verhandeln musste, bleibt mehr im Gedächtnis als ein Ja-Sager.
Doch Veränderungen, gerade in Beziehungen, sind unangenehm. Gerade diese emotionalen Entwicklungen im Spiel sollten von Gesprächen abseits des Tisches begleitet werden. Wichtig ist dabei, dass jedem in der Spielgruppe klar ist, wer am Ende für welchen Charakter das letzte Wort hat und dass alle Konsequenzen im Spiel dieses nicht verlassen. Eine Spielerfigur mag im Spiel zum Verräter werden, aber dadurch sollte man nicht das Gefühl bekommen, dass man ihrem Spielenden nicht mehr vertrauen kann.
Natürlich, so wie manche Charaktere sich auseinander entwickeln, können wiederum auch Feinde zu Freunde werden. Vorausgesetzt natürlich, dass man das Risiko eingegangen ist, sie am Leben zu lassen.
Zu Bedenken: Der kleine, aber feine Unterschied
Bei einem Videospiel kann man den Spielstand neu laden, wenn einem die Konsequenzen seiner Entscheidung nicht gefallen. In einem Pen-&-Paper-Rollenspiel sind diese Entscheidungen aber traditionell unwiderruflich.
Dazu kommt noch, dass die verschiedenen Ausgänge der Geschichte in einem Videospiel fest geschrieben sind. Doch am Spieltisch sollte man erwarten, dass nicht mal die Spielleitung Kontrolle über den Ausgang der Geschichte hat, denn die Ausgänge von bestimmten Handlungen per Zufall zu bestimmen, gehören zu dieser Art von Spielen dazu.
Ein Goldenes Ende, in der alle Figuren ihr Glück finden, ist daher nicht garantiert und kann nicht erzwungen werden. Hier ist es wichtig im Kopf zu behalten, dass als Spielender es beim Rollenspiel nicht am Wichtigsten ist, sein persönliches Ziel zu erreichen, sondern sich gemeinsam mit seiner Gruppe den Weg bis dahin schlagen zu können. Und was in dieser Kampagne nicht gelöst werden kann, mag in der nächsten angegangen werden.
Viel Erfolg im Domain Play,
-Martin
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