Pause
Länderspielpausen – noch schlimmer als Sommerpausen
mit Update mittags: Faschismus unbemerkt?
Die Fussball-Schlagzeilen des Wochenendes wurden beherrscht von einem Ruhrpottderby (RWO-RWE 3:2) und mannigfachen Spekulationen. Cabo Verde, für seine Musikszene weltbekannt, könnte sich erstmals für eine WM qualifizieren, ausgerechnet die von Donald Trump und Gianni Infantino. Ob sie ein Einreisevisum erhalten werden? Die Frage wird wahrscheinlich spannender als die WM. Wenn sie heute um 18 Uhr ihr Heimspiel gegen Eswatini gewinnen, sind sie durch (sportlich). Update abends: 3:0, sie habens geschafft.
Deutschland tritt heute in Nordirland an, und zittert. Die Fifa-Weltrangliste wird von einem US-Konzern bezahlt, dessen Erzeugnisse geschmacklich und gesundheitlich untrinkbar sind. Das passt zur Fifa. Die führt Deutschland auf Platz 12. Das wäre immer noch erste Liga. Nordirland auf Platz 72, drei Ränge vor Ghana, das schon qualifiziert ist (Coach Otto Addo, die Älteren werden ihn kennen).
Die meisten deutschen Billigmedien haben ihre Fachredaktionen längst aufgelöst. Fachleute sind teuer. Die Fussballberichte werden von KIs geschrieben, und zwar auch von den billigsten Versionen. Die haben sich das ganze Wochenende nicht mehr eingekriegt über ein 4:0 der DFB-Elf am Freitagabend. Die Fans waren besser informiert: nur noch 7 Mio. glotzten hin, die andern 80 Mio. haben sich einen schönen Abend gemacht. Den Frauen gucken gewöhnlich doppelt so viele zu. Was die meisten wahrscheinlich gar nicht gemerkt haben: der geschlagene 96. der Weltrangliste spielte nur mit 10 Mann (ein Platzverweis). Na dann …
Wie konnte es so weit kommen, dass deutscher Fussball sich vor Platz 72 ängstigt?
Dazu meine steile These.
Wenn Sie sich nicht für Fussball interessieren, dann gucken Sie doch stattdessen “Miosga”. Strafe muss sein. Allein schon die hirnerweichende Titulierung zeigt, wo der deutsche Mediendiskurs gelandet ist. Dass der OB-Kandidat von so einem Tuppes in Potsdam, wo die Berliner mit Geld wohnen, noch 27,1% bekam, was sagt uns das?
Dass die Antwort ausgerechnet in einer Spiegel-Kolumne steht, hätte ich persönlich nicht mehr für möglich gehalten. So wenig, wie die Tatsache, dass die dortigen Bratzen vergessen haben, sie digital einzumauern. Wahrscheinlich ist Autor Christian Stöcker dazu verurteilt, irgendwann in der Hafen-City das Licht aus zu machen. Jammern Sie dann nicht, Sie hätten nichts davon gewusst. Lesen Sie vorher: “Spickzettel zur Energiewende: Diese Fakten werden Ihr Weltbild verändern – Auch gut informierte Menschen in diesem Land haben eine massiv verzerrte Vorstellung davon, wie sich die Welt gerade entwickelt. Gehören Sie dazu?” Immerhin: eine Mehrheit der Minderheit, die am Bürgerentscheid in Hamburg teilgeneommen hat, ahnt sowas.
Und nächstes Wochenende gibts wieder Fussball.
Update mittags
Faschismus unbemerkt?
Nein, ist er nicht. René Martens/MDR-Altpapier hat Michael Tomasky/The New Republic entdeckt, der uns unmissverständlich wissen lässt: “Historiker sagen manchmal, dass es für die Menschen schwierig sein kann, den Abstieg einer Gesellschaft in den Faschismus in Echtzeit zu erkennen. Nun, Historiker der Zukunft, ich bin hier, um Ihnen zu sagen: Wir erkennen es. Millionen von uns nehmen es wahr. Und wir sind entsetzt und wütend.”
Bei diesen Millionen bin ich dabei. Und der Kerl kennt mich gar nicht. Wie kommt Martens drauf? Er setzt die kürzlich von mir heftig begrüsste Meditation seines Kollegen Heimann fort. Dabei lobt er die Spiegelkolumne von Christian Stöcker ähnlich heftig wie ich. Und es ist nicht schön, zu welchen Ergebnissen er kommt. Spoiler: seine treffende Schlusspointe geht nämlich so: “Es scheint mir durchaus Parallelen zu geben zwischen der Rückwärtsgewandtheit des deutschen Journalismus und der Rückwärtsgewandtheit der deutschen Autoindustrie. Beide orientieren sich an Rahmenbedingungen, die nicht mehr existieren. Der Unterschied: Die Rückwärtsgewandteit der Autobranche trägt zur Zerstörung des Planeten bei, die Rückwärtsgewandtheit des Journalismus nur zur Zerstörung der Demokratie. Man muss halt immer das Positive sehen.” Das Letzte ist von Adenauer, allerdings statt “immer” “auch mal”.
Und alle Ausreden sind ungültig.