Zum Tod von Jürgen Endemann
Der Bonner Bürgermeister von 1979 bis 1994 verstarb am 18. November
Nicht nur ich habe Jürgen Endemann als ein politisches Talent sondergleichen, den Menschen zugewandt, in Erinnerung. Viele sahen ihn viele Jahre lang als verlässlichen Bündnispartner, nachdem die (partei-)politischen Wege längst auseinander gegangen waren.
Blenden wir viele Jahre zurück (teilweise die Namen abkürzender Text aus „lk-liberale korrespondenz“ Nr. 16, 11.11.1974, der auf alten Unterlagen Jürgens beruhte):
Die Politik der Jungdemokraten war damals im Wesentlichen nach dem Geschmack der Öffentlichkeit. Der „Iserlohner Kreisanzeiger“ äußerte sich denn auch lobend über den Landesjugendtag am 14./15.3.1959 in Iserlohn: „Die jungen Demokraten haben stellvertretend für Tausende anderer jungen Menschen in dem Ring politischer Jugend bewiesen, daß es neben den Lederjacken, Niethosen-Jünglingen und Pulli-Mädchen immer noch eine Jugend gibt, deren Horizont über das persönliche Interesse, über Schlager, Rock’n Roll und Moped-Jagden hinausgeht.“
In diesen Verband, in dem man sich selbstverständlich noch siezte, wenn man nicht persönliche Freundschaft geschlossen hatte, in dem man Anzüge trug und sauber die Krawatten band, von den „anständig“ in Kostüme gekleideten Mädchen mal ganz abgesehen, kam 1959 auch Jürgen Endemann.
Nachdem er sich in Bad Godesberg bei allen drei politischen Jugendverbänden umgesehen hatte, landete er schließlich im Partykeller von E.S., bei dem sich die 3-4 Godesberger Jungdemokraten regelmäßig trafen. Die Atmosphäre im Landesverband NRW lernte Endemann erst später kennen – so auch die Aufmärsche mit Trommelwirbel, Fackelschein und Fahnenträgern am Hermannsdenkmal (wo er 1961 eine Fahne stibitzte, um sie 1974 Dieter Siekmann als ewiges Angedenken an alte Zeiten zu überreichen). Die Kreisverbände Köln und “Bonn-Land” waren damals „eine liberale Zelle in einem recht nationalistischen Landesverband“ (Endemann).
Die Bad Godesberger Jungdemokraten – identisch mit dem KV Bonn-Land – trafen sich etwa alle 14 Tage und wuchsen rasch auf 20 Mitglieder an. Als 1960 der damalige Kreisvorsitzende S. mit unbekanntem Ziel verschwand, war der Kreisverband führungslos. Landesgeschäftsführer L. kam nach Godesberg, drückte Endemann die Liste der Mitglieder in die Hand und beauftragte ihn, den Kreisverband weiterzuführen. Jürgen blieb dann auch bis 1965 Vorsitzender, dann heiratete er (Endemann: „Das eine löste das andere ab“).
Jahre später: Martin Böttger erinnert sich an die Landesdelegiertenkonferenz der NRW-Jungdemokraten 1974 in der Sportschule Wedau: „Er war der Tagungspräsident. Souverän, humorvoll, und bei allem Streit unter den Delegierten, immer respektiert und geachtet. Mein Gefühl war: der hat das schon immer so gemacht und wird es auf ewig weitermachen.“ Nicht nur in NRW, auch in benachbarten Landesverbänden wie Hessen oder auf Bundesebene. Aber nur bis Ende 1975, da kam die Altersgrenze, und Jürgen wurde Ehrenvorsitzender im KV Bonn.
In der Bonner FDP war Endemann lange der einzige Progressive unter 17 Rechten, so mein Fazit zur Wahl der Delegierten zum FDP-Landesparteitag 1974. Nach je einem konservativen (Sadtler) und einem ausländer-“freundlichen“ (Hönig) Bürgermeister nominierte die FDP mit ihm endlich einen Liberalen für die Stadtspitze. Auch als Bürgermeister (1979–1994) war Jürgen Endemann eine auffallende Persönlichkeit von natürlicher Autorität: Wenn fremde Gäste erschienen, und der CDU-OB Hans Daniels (1975-1994) nicht die Amtskette trug, sollen sie automatisch auf Endemann zugelaufen sein.
Jürgens vielfältige Interessen, ob als Philatelist, der der Geschichte des preußischen Postverkehrs in Godesberg nachspürte, oder seine Verbundenheit mit dem Verein für Heimatpflege und Heimatgeschichte Bad Godesberg, dessen Vorstand er 2005-2015 angehörte … ergäben eine Endlosliste.
Eine persönliche Erinnerung: Meine runden Geburtstage begleitete Jürgen, indem er am Ziel meine Gäste begrüßte, da ich mit der Radlergruppe jeweils zu spät kam. Wer je das Vergnügen hatte, einen Abend mit ihm zu erleben, erinnert lebenslang sein sprühendes, von „Anekdötchen“ geprägtes Erzähltalent. Gerne erinnere ich unseren letzten Treff Fr 27.08.2021 im DelikArt im Landesmuseum in einer Viererrunde ehemaliger DJD-Kreisvorsitzender.
„Wenn Jürgen Endemann ein ‘typischer Politiker’ gewesen wäre“, so das Fazit von Martin Böttger, „hätte unsere Demokratie nicht die Probleme und Schwierigkeiten, die sie heute hat. Er war – leider – ein Ausnahmepolitiker.“