Lese gerade in dem Buch von Katja Hoyer rum, weil es ein Gespräch mit ihr und Anne Rabe in der taz gab.

„Gerdas Mann fragte sich, ob es denn noch möglich wäre, die Grenze zu passieren, und ging zwischen den noch spärlich verteilten Spanischen Reitern auf der Boyenstraße hinüber in den Westsektor. Niemand stellte ihm Fragen, und es wurde ihm bewusst, dass dies seine letzte Chance war, im Westen zu bleiben. Doch er kehrte um, durchschritt noch einmal die primitiven ersten Grenzanlagen und kehrte zu seiner schwangeren Frau zurück, um ein Leben im Osten zu führen.“

Das berührt mich. Wie oft werden sie darüber nachgedacht haben, wie ihr Leben hätte anders verlaufen können.

Bei mir war die Mauer einfach da. Da gab es nichts nachzudenken.

#Mauerbau

Die Stelle fand ich lustig:

„Ein zu Propagandazwecken aufgenommenes Bild von vier jungen Kampfgruppen-Männern, die am 14. August 1961 den Grenzübergang am Brandenburger Tor bewachen, verschwand klammheimlich in den Archiven, da sich alle vier nach Westdeutschland davongemacht hatten.“

Diesseits der Mauer
Katja Hoyer

3/ Also jetzt kommen so ein paar unsortierte Kommentare zu #Hoyer: Diesseits der Mauer.

Soweit ich sehen kann beschreibt Hoyer den Anfang der Ostzone/DDR völlig korrekt. Es ist keine kommunistische Lobhudelei. Plünderungen und Vergewaltigungen durch russische Soldaten werden beschrieben. Auch die Zeit des großen Terrors in der Sowjetunion und das Leben und Sterben der deutschen Kommunist*innen im Exil.

Das ist für mich interessant, denn einige dieser Dinge höre ich zum ersten Mal, denn aus irgendwelchen Gründen hatten wir das so nicht in der Schule …

Ich hatte ja im Ostblog was zu den Reparationsleistungen der #DDR geschrieben. Die bestand unter anderem darin, dass viele Wissenschaftler*innen und Ingenieure in die Sowjetunion gebracht wurden, wo sie über mehrere Jahre hinweg arbeiten und Produktionsstränge von im Osten abgebauten Werken wieder aufbauen helfen mussten bzw. Militärforschung machen mussten. Hoyer beschreibt das und auch ein paar interessante Details.

Männer durften eine Frau mitnehmen. Ihre Ehefrau oder ihre Geliebte. Schließlich sollten sie sich wohlfühlen …

Kurios.

Und hinterher konnten sie sich aussuchen, in welches Land sie entlassen werden wollten. DDR, BRD, Österreich.

Nett zu den Wissenschaftlern, nicht nett zur DDR.

Eine Familie hat zwei Kühe in die SU mitgenommen …

4/ Uri, Uri. Die Sowjets haben nach dem Krieg Uhren eingesammelt. Ich habe immerhin noch ein Erbstück bekommen. War aber ne Taschenuhr, an der hatten sie vielleicht kein Interesse.

Was ich auch gelernt habe, ist, dass das Reichstagsfoto retuschiert werden musste, weil der Soldat mit der Sowjetfahne an jedem Arm ne Uhr trug.

https://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/legendaere-foto-manipulation-fahne-gefaelscht-uhr-versteckt-wolken-erfunden-a-551663.html

#Hoyer

Legendäre Foto-Manipulation: Fahne gefälscht, Uhr versteckt, Wolken erfunden

Heldenhaft hisst der Sowjetsoldat die Rote Fahne, Hammer und Sichel flattern auf dem Reichstag: Yevgeny Khaldei hat eines der berühmtesten Bilder der Zeitgeschichte fotografiert. Jetzt wird er mit einer Retrospektive in Berlin gewürdigt - doch ausgerechnet sein legendäres Werk manipulierte er mehrfach.

DER SPIEGEL

5/ Das scheint der einzige Fehler zu sein, den ich bis jetzt bei #Hoyer entdecken konnte.

Es gab keine #FDJ-Uniform. Es gab FDJ-Hemden und das Emblem war am Arm. Auf der Brust war nichts, es sei denn es gab vor meiner Zeit noch andere Varianten des FDJ-Hemds, aber das scheint mir unwahrscheinlich.

6/ Das war Margot Feist, später #Honecker.

Bilder der beschriebenen Szene mit Pieck. Soweit ich erkennen kann, kein Emblem auf der Brust. Na, egal. Kann dann bei der nächsten Ausgabe repariert werden.

#DDR #Geschichte #DeutscheGeschichte #Hoyer

7/ Hier ist noch mal der Erich höchst persönlich. Damals war er noch FDJ-Chef. Man sieht, dass da nichts auf der Brust war. Aber im Wikipedia-Artikel ist beschrieben, dass manche Aufnäher auf der Brust hatten. Vielleicht hatte sie ja Patches. =:-)

https://de.wikipedia.org/wiki/Blauhemd_(FDJ)

Übrigens ist im #Hoyer-Buch beschrieben, was die #FDJ so alles gemacht hat. In #Essen haben sie gegen die Wiederbewaffnung der #BRD demonstriert, was dazu führte, dass sie als verfassungsfeindlich eingestuft und verboten wurden. Bei den (verbotenen) Demonstrationen wurden drei Menschen von der Polizei beschossen und Philipp Müller ist gestorben. Honecker wollte daraufhin die „Adenauer-Clique“ von dannen jagen und ist mit Zehntausenden FDJlern nach Westberlin marschiert. Da haben sie wohl ziemlich Dresche bezogen.

Als 1989 die Mauer aufging, habe ich in Kreuzberg einen Typen mit FDJ-Hemd gesehen, der mit anderen diskutierte. Ich fand das sehr schräg. Er kannte wohl den entsprechenden Teil der FDJ-Geschichte nicht.

Blauhemd (FDJ) – Wikipedia

8/ „Dieser Widerstand manifestierte sich unter anderem in der Verweigerung des immer wieder geforderten öffentlichen Tragens des Blauhemdes als dem „sichtbaren Symbol der Loyalität zum SED-Regime“. Als Begründung für das Nichttragen wurden von FDJ-Mitgliedern bei Aussprachen modische wie hygienische Einwände vorgebracht, so sei das Blauhemd nicht mehr modern und man könne es bei Sommerhitze nicht wiederholt anziehen. Auch sei durch das ständige Blauhemd-Tragen das Ansehen bei Freunden und Kollegen in Gefahr.“

„modische Einwände“ finde ich lustig. Da gilt wohl eher nicht, wenn mit Propaganda Druck gemacht wird. „Ansehen bei Freunden und Kollegen“ ist auch eher schräg.

„Ein gängiger Minimalkompromiss anstelle des verlangten ganztägigen Tragens war das Mitführen des FDJ-Hemdes zum Ort des offiziellen Anlasses, um es erst dort für die Zeremonie anzuziehen und danach schnellstmöglich wieder abzulegen. Auch wurden Pullover über dem FDJ-Hemd getragen, zum offiziellen Anlass konnte der blaue Kragen über dem Kopfausschnitt gezeigt werden. “

Ja, so haben das manche gemacht.

https://de.wikipedia.org/wiki/Blauhemd_(FDJ)

Blauhemd (FDJ) – Wikipedia

9/ Hefte raus! Klassenarbeit!

Kleiner Geschichtstest. An welchem Tag wurde die #DDR gegründet

Mitmachen dürfen nur Menschen, die nicht in der DDR gelebt haben. Wer zur Wende drei oder jünger war, darf auch.

Betrugsversuche wie mit dem Handy auf's Klo gehen, werden streng bestraft. Bitte spontan antworten.

08. Mai
10.3%
17. Juni
17.9%
03. Oktober
10.3%
07. Oktober
61.5%
Poll ended at .

10/ Habt Ihr gut gemacht.

8. Mai war Tag der Befreiung.

17. Juni wäre die DDR 1953 beinahe zu Ende gewesen, das war der Volksaufstand, später Tag der deutschen Einheit

03.Oktober war später Tag der deutschen Einheit

07. Oktober war der Republikgeburtstag

Und jetzt haltet Euch fest. #Hoyer schreibt doch tatsächlich, dass die DDR am 3.10. gegründet wurde. In einem Buch zur Geschichte der DDR.

Das ist schon deshalb absurd, weil man ja den Tag der deutschen Einheit nicht auf den Republikgeburtstag gelegt hätte.

Ich wage zu behaupten, dass jede*r Ostdeutsche noch heute weiß, dass der 7.10. der Republikgeburtstag war. Das war Feiertag, die Staatsführung hat da Militärparaden abgehalten und Sachsen (sorry, Sachsen) in FDJ-Hemd an sich vorbeiziehen lassen. Wir habe langfristig unsere Parties an diesem Tag geplant, weil wir ja nichts Anderes zu tun hatten.

Ein Vorwurf an Hoyer war, dass die Opposition in ihrem Buch nicht vorkam. Ich habe das Buch noch nicht zu Ende gelesen, aber wahrscheinlich ist dieser Vorwurf berechtigt. Hätte sie sich irgendwie mit der Opposition beschäftigt, hätte sie gewusst, dass am 7.5.1989 Kommunalwahlen in der DDR stattfanden. Die Ergebnisse waren gefälscht und der kirchlichen Opposition war es zum ersten Mal gelungen, den #Wahlbetrug nachzuweisen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Kommunalwahlen_in_der_DDR_1989

Seit dem 7. Juni gab es deshalb an jedem 7ten des Monats Proteste an der Weltzeituhr am Alex und allen politisch aktiven Menschen war es klar, dass das am 7.10. krachen musste. Ich erinner mich noch daran, wie ich das kurz vorher im Sportverein angesprochen habe. Beim Umziehen.

Ansonsten ist das, was ich bisher vom Buch gelesen habe, gut, aber so was darf einfach nicht passieren.

Hat denn niemand dieses Buch vor Veröffentlichung gelesen? Es gibt ja schon die englische Version, die muss doch auch jemand gelesen haben. Ich dachte erst, das sei ein Fachbuch, aber die englische Version ist bei Penguin Books erschienen. Trotzdem. Man zeigt doch Bücher anderen, bevor man sie veröffentlicht.

Und noch was zum #Fernsehturm. Wahrscheinlich war die Eröffnung bewusst einige Tage vor dem Republikgeburtstag, denn der Fernsehturm war ja ein dolles Ding. Das sollte gebührend gefeiert werden. Am 7.10. ging dann die restliche Show über die Bühne. Militärparade oder #WinkeWinke, oder was immer die 1969 gemacht haben. @peer findet bestimmt die relevanten Zeitungsausschnitte im ND.

Kommunalwahlen in der DDR 1989 – Wikipedia

@stefanmuelller

"Hätte sie sich irgendwie mit der Opposition beschäftigt, hätte sie gewusst, dass am 7.3.1989 Kommunalwahlen in der DDR stattfanden."

Ich musste erst googlen. 1:1

@peer Ha, ha. Ja, danke! Ich schreibe gerade ein Gutachten und versuche den Begutachteten zu erklären, dass sie Seitenzahlen angeben sollen, damit man ihre Behauptungen nachprüfen kann. Das ist nämlich genau, was passiert, wenn man aus dem Kopf zitiert. Normalerweise würde ich diesen Link dazu tun.

https://de.wikipedia.org/wiki/Kommunalwahlen_in_der_DDR_1989

Dann hätte ich auch die Mai- vs. März-Sache gemerkt.

Kommunalwahlen in der DDR 1989 – Wikipedia