Ich bin besorgt. Und ja, ich bin auch wütend.
Vor einiger Zeit waren es rechte Netzwerke um Julian Reichelts NIUS, die mit Hilfe des „Plagiatswebers Stefan Weber“ eine renommierte Journalistin in den Suizidversuch trieben. Nun gehen dieselben Leute gegen eine Kandidatin für das Bundesverfassungsgericht vor, eine Frau, die die Selbstbestimmung von Frauen über sich und ihren eigenen Körper etwas ernster nimmt als das unter Rechten so üblich ist. So weit, so erbärmlich, so erwartbar.
Aber was noch erbärmlicher ist? Wie leicht sie‘s bei Jens Spahn und seiner Fraktion hatten. Obwohl Frauke Brosius-Gersdorf als gemeinsame Kandidatin von Union und SPD im Richterwahlausschuss am Montag nominiert wurde, versagte ihr Friedrich Merz‘ Fraktion ihr heute die Zustimmung. Eine Zäsur, wieder einmal. Ein kolossales Führungsversagen. Ein riesiger Schaden für das Verfassungsgericht, für den Respekt vor den Institutionen, für die Kandidatinnen und den Kandidaten selbst.
Ist es Unfähigkeit oder zynisches Kalkül, das Jens Spahn da angetrieben hat? Einer Union, die sich von rechtsextremer Hetze in die Demontage des Verfassungsgerichts treiben lässt, fehlt die demokratische Klarheit und die demokratische Resilienz. Eine solche Union verabschiedet sich aus der demokratischen Mitte, ein zunehmend verwaister Platz. Man kann nur hoffen, dass sie den Weg zurückfindet.
Denn es ist nicht das erste Mal. Ich habe nicht vergessen, wie Friedrich Merz, Jens Spahn und ihre Fraktion am 29. Januar mit Leuten einen Antrag im Deutschen Bundestag durchgebracht haben, die sich selbst als „das freundliche Gesicht des Nationalsozialismus“ bezeichnen - wenige Stunden, nachdem Holocaust-Überlebende am Redepult gesprochen hatten. Sie scheinen daraus nichts, aber auch gar nichts gelernt zu haben.
Dieses Desaster geht auf das Konto von Jens Spahn. Und auf das von Friedrich Merz, der Spahn erst die Macht gegeben hat, dem
Land die Ohnmacht der Union gegenüber dem rechtsautoritären Ruck unter Beweis zu stellen. Ein Scheitern mit Ansage.
Es ist ein bitterer Tag, wieder einmal. Sorgen wir dafür, dass es nicht zur neuen Normalität wird.