Rezension: Die Ghulscheuchen von Kosvin von René Kremer
Es gibt auf diesem Blog bisher keine Rezensionen zu Rollenspielen oder Abenteuern. Das liegt vor allem daran, dass wir selten dazu gefragt werden und dass wir nicht über Dinge urteilen wollen, von denen wir nicht wirklich Ahnung haben. Nun hat mich der gute René gebeten, mal über seinen neuen Schauplatz „Die Ghulscheuchen von Kosvin“ für Swords & Wizardry (und Cairn) zu schauen.
Nun, Module für Swords & Wizardry (und andere OSR-artige Spiele), habe ich schon so viele gelesen und gespielt, dass ich mir durchaus zutraue, eine halbwegs fundierte Meinung dazu abzugeben.
Damit ihr eine Rezension von mir einschätzen könnt, möchte ich ganz kurz darlegen, wie ich Abenteuer mag: Ich finde es gut, wenn ich vom Blatt spielen kann, ohne groß vorzubereiten. Wenn ich vorbereiten muss, sollte sich das lohnen. Ich erwarte „Viel Spiel pro Seite“. Ich bin absolut okay damit, wenn ich recht viel improvisieren muss. Das fällt mir leichter, als mir viel merken zu müssen. Es ist mir nicht unglaublich wichtig, dass komplett neue, nie dagewesene Dinge in einem Abenteuer vorkommen. Hauptsache, es macht Spaß. Es darf für die Spielenden schwierig, aber nie unfair sein. Illustrationen sind mir relativ egal. Wenn es keine gäbe, würde mir das nicht auffallen.
Worum geht es?
Im Dorf Kosvin ist einiges los. Ein geheimer Kult, verschwindende Leute, Bedrohung durch ein benachbartes Reich, uralte Magie, mutierte Wesenheiten. Das Abenteuer setzt ein paar Dinge voraus, die es in der Welt geben muss, damit alles Sinn ergibt. Aber nichts, was sich nicht relativ leicht in eine Kampagne einbauen ließe. Im Zentrum steht, dass das Dorf Kosvin immer wieder von Untoten heimgesucht wird und seit einiger Zeit die namensgebenden „Ghulscheuchen“ einsetzt, um sich zu schützen. Aber natürlich funktioniert nicht alles so reibungslos wie erhofft.
„Die Ghulscheuchen von Kosvin“ ist insofern besonders, als dass das Dorf im Fokus steht und nicht die kleinen Dungeons und Schauplätze drumherum. Gefühlt hat jede:r Bewohner:in etwas zu verbergen und überall sind interessante Geschichten zu entdecken, die sehr gut miteinander verknüpft sind.
Exzellente Aufbereitung der NSC macht das doch sehr personenlastige Szenario spielbar. Zur Anschauung eine der wenigen Figuren ohne Geheimnisse (und Spoiler).Fakten
Geschrieben wurde das Ding von René Kremer. Entstanden ist es aus tatsächlichen Spielrunden, was immer eine gute Entstehungsgeschichte ist. Er hat auch das Layout gemacht. Insgesamt hat das Abenteuer 72 Seiten. Layout und Design sind sehr gut und übersichtlich.
Lektoriert und Korrigiert wurden die „Ghulscheuchen“ von Alia Emma Boecker.
Cover & Illustrationen stammen von Jennifer Lange. Dazu kommen einige Icons sowie Artwork von William McAusland und John Bilodeau.
Zu kaufen gibt es das Abenteuer natürlich bei Renés Shop PenPaperDice. Und auf seiner itch.io-Seite.
Und jetzt endlich die Rezension
Ich möchte voranschicken, dass ich das Abenteuer nur gelesen, nicht gespielt habe. Ich denke, ich kann einigermaßen gut einschätzen, wie es am Tisch läuft, aber das sind schon unterschiedliche Dinge.
Stärken:
- Das Modul erklärt sehr gut, wie es gespielt werden will. Die Zusammenfassung ist knapp und verständlich. Es wird auch erklärt, wie man das Abenteuer in eine Kampagne einbaut oder als One-Shot spielt.
- Dem Abenteuer liegt ein interessantes, kreatives, aber leicht zu verstehendes Worldbuilding zugrunde.
- Atmosphärisch ist das Dorf Kosvin sehr dicht. Es nutzt gekonnt Klischees über unheimliche Dörfer, ohne dabei albern zu werden. Vor allem bricht es die Klischees auch an den richtigen Stellen wieder.
- Es gibt eine interessante und gut aufbereitete Verknüpfung mehrerer, parallel laufender Handlungsstränge. Jeder einzelne Handlungsstrang ist interessant.
- Eine Zeitleiste hilft dabei, das Abenteuer zu strukturieren. Die Spielenden bekommen schnell sehr konkrete Aufgaben und müssen nicht lange nach Beschäftigung suchen.
- Die SC haben außerdem sehr hohe Entscheidungsgewalt. Sie können sich auf jede Seite schlagen. Das Abenteuer unterstützt das ausgezeichnet.
- Dinge geschehen auch dann, wenn die Spielenden nicht mitmachen. Das ist immer gut.
- NSC sind in gut strukturieren Info-Boxen ausreichend vorgestellt, um von der SL gut verkörpert zu werden.
- Die einzelnen Schauplätze sind gut miteinander verknüpft und übersichtlich dargestellt.
Schwächen:
- Ich sagte, die Atmosphäre ist sehr dicht und nutzt Klischees, ohne albern zu werden. Dass nahezu alle NSCs Alliterationen als Namen haben, könnte dann aber doch ein wenig aus der Stimmung herausreißen, wenn es grundsätzlich gruselig sein soll. Das finde ICH nicht schlimm, bei mir wird sowieso irgendwie immer alles eher lustig. Wer aber Horror möchte, sollte die Namen eventuell ändern.
Neutral:
- Die kleinen Dungeons sind solide, gut beschrieben und fügen sich super in die Atmosphäre des Abenteuers ein. Spektakulär sind sie aber nicht.
- Es gibt sehr viele NSC. Etwas mehr, als ich bevorzuge, weil jeder NSC mental load für die Spielleitung bedeutet. Das Abenteuer bereitet das aber sehr gut auf und hat im Anhang ein tolles Handout mit dem Beziehungsgeflecht im Dorf, womit das Ganze gut machbar sein sollte.
- Weil es potenziell für OSR viele eher untypische Aufgaben für die Charaktere gibt (Leute beschatten, ausfragen, überzeugen), sind sowohl SL als auch Spielende gefordert. Für manche Dinge, denke ich, müssen in vielen Gruppen entsprechende rulings gefunden werden.
Fazit:
Ich finde „Die Ghulscheuchen von Kosvin“ sehr stark. Je nach Gusto und allgemeiner Laune hat man hier entweder „Ravenloft“- oder „Tanz der Vampire“-Feeling. Ich weiß nicht, ob René das beabsichtigt hat, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass das Abenteuer bei vielen Spielenden eher etwas humorig werden könnte. Vielleicht liegt das nur an den Alliterations-Namen der NSC. Oder an mir. Und grundsätzlich ist das ja auch nichts Schlechtes.
Insgesamt gibt es wenige OSR-artige Abenteuer, die so viel Wert auf die sozialen Aspekte des Spiels legen, wie dieses. Das finde ich sehr begrüßenswert. Auch Freunde des detektivischen Spiels können auf ihre Kosten kommen.
Die kleinen Dungeons sind eher Mittel zum Zweck und nicht die Stars des Abenteuers. Das ist völlig okay, langweilig sind sie auch nicht.
„Die Ghulscheuchen von Kosvin“ ist eine GANZ KLARE Empfehlung für Gruppen, die zwar gerne mit OSR-Regelwerk spielen, aber mal etwas anderes erleben wollen als einen Dungeon-Crawl.
Ich denke, man wird etwa 3 bis 5 Spielabende mit dem Abenteuer verbringen. Der Vorbereitungs-Aufwand für die SL ist höher, als mir normalerweise lieb ist. In diesem Fall aber lohnenswert und mit guten Strukturen und Handouts im Anhang fein unterstützt.
Wo landet das Abenteuer auf einer Skala von 1 bis 10?
Wenn es nicht gut wäre, hätte ich mir nicht so viel Mühe beim Lesen und Schreiben gemacht.
Viel Spaß in Kosvin,
-Seba
PS: René hat übrigens eine Insel zu unserem Uniko-Atoll beigetragen. Das ist natürlich ein ungewohntes Format für seine Arbeit, die normalerweise sehr viel ausführlicher ist, aber es erlaubt vielleicht einen kleinen Blick in seine Denk- und Schreibweise.
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