"Man kann und muss sich absichern und wir wissen auch genau, wie das funktioniert", sagt Claudia Kemfert @ckemfert im DLF-Interview zum Blackout in Spanien und Portugal. Bei erneuerbaren Energien seien Schwankungen da, das bedeute aber nicht mehr Risiko. Man könne sie mit Speichern und mit dem europäischen Stromverbund ausgleichen. https://www.deutschlandfunk.de/blackout-auch-in-deutschland-moeglich-interview-mit-claudia-kemfert-diw-100.html
Nach dem Blackout - Interview mit Claudia Kemfert (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung)

Deutschlandfunk

@GeorgEhring

Sehr gut gefallen hat mir auch diese Darstellung, insbesondere der Hinweis auf die Inkompatibilität von AKWs und Erneuerbaren aufgrund der Trägheit, mit der AKWs runter- und hochgefahren werden können. Als Ein Aspekt der Ursache.

https://infosec.exchange/@masek/114427622908370083

@ckemfert

Martin Seeger (@masek@infosec.exchange)

Achtung, langer Text ## Stromausfall in Spanien – Eine Analyse Solarenergie kommt als Gleichstrom aus den Solarpanels. Das bedeutet, sie muss in Wechselstrom umgewandelt werden. Diese Aufgabe übernimmt ein sogenannter *Inverter*. Inverter müssen sich dabei auf das Stromnetz *aufsynchronisieren*, das heißt, sie erzeugen exakt die Frequenz, die das Netz vorgibt. Gibt es kein externes Netz, ist das nicht möglich – die Inverter wechseln dann in den sogenannten *Inselmodus* und erzeugen Strom nur für den lokalen Gebrauch. Wenn meine PV-Anlage beispielsweise keinen Netzstrom hat, kann sie das Haus nicht versorgen, aber Strom über zwei Notstrom-Steckdosen bereitstellen. Die Frequenz im Netz beträgt in der Regel 50 Hertz. Diese schwankt jedoch – mal etwas mehr, mal weniger. Aus physikalisch-technischen Gründen steigt die Frequenz, wenn zu viel Strom das ist, also zu wenig Strom verbraucht wird, und sinkt, wenn zu viel verbraucht wird. Um das Netz zu schützen, verfügen Inverter über einen Notabschalt-Mechanismus: Steigt die Frequenz über eine festgelegte Grenze (meines Wissens bei 50,2 Hertz), wechseln sie ebenfalls in den Inselmodus. Der spanische Energiemix ist ungewöhnlich: viel Kernenergie und viel erneuerbare Energie. Ein Großteil der erneuerbaren Energie stammt wiederum aus der Solarenergie – logisch bei dem Klima. Kernenergie hat zwei wesentliche Eigenschaften: Zum einen sind Lastwechsel nur sehr langsam möglich, zum anderen produziert ein Kernkraftwerk auch bei Teillast nahezu dieselben Kosten wie bei Volllast. Das bedeutet, man möchte diese Kraftwerke möglichst konstant mit voller Leistung betreiben. Am Montag ergab sich nun eine besondere Situation: viel Sonne, guter Wind. Schon ab 9 Uhr konnte der gesamte Energiebedarf Spaniens durch Kern- und erneuerbare Energien gedeckt werden. Es wurde sogar mehr Strom erzeugt als benötigt, sodass man begann, so viel wie möglich zu exportieren. Alles, was sich einfach abschalten ließ, wurde abgeschaltet – aber die Kernkraftwerke wollte man aus den oben genannten Gründen nicht drosseln. Dann geschahen zwei Dinge: Eine Leitung nach Frankreich fiel aufgrund eines Feuers aus, und auf einer anderen Leitung kam es wetterbedingt zu Resonanzen. Bis hierhin ist das alles belegbar – nun folgt die Spekulation: Diese Instabilitäten führten dazu, dass der Strom nicht mehr ausreichend abfloss. Die Frequenz im Netz stieg an – und überschritt die kritische Grenze von 50,2 Hz. Viele Solaranlagen schalteten deshalb in den Inselmodus. Zu diesem Zeitpunkt machten sie fast 15 GW Leistung aus, knapp 60 % der Gesamtenergie – und waren schlagartig weg. Plötzlich fehlten zwei Drittel der Energie. Weder Windkraft noch Kernenergie oder Speicher konnten das auffangen – im Gegenteil. Um Schäden zu vermeiden, gingen auch die Kernkraftwerke in eine Notabschaltung. Das ist besonders problematisch – dazu später mehr. Innerhalb von Sekunden brach das gesamte Netz zusammen. Die Solaranlagen waren bereit, konnten sich aber auf kein Netz mehr synchronisieren. Alles war dunkel. Auch Portugal und Südfrankreich wurden vom Netz genommen, da sie bis dahin vom spanischen Export profitiert hatten. Das europäische Stromnetz reagierte und warf Spanien aus dem Verbund. In Südfrankreich konnte das Netz dank eigener Reservekapazitäten und Hilfe anderer Länder schnell wiederhergestellt werden. In meiner Heimautomatisierung konnte ich beobachten, wie die Frequenz dort kurz abfiel, bevor die eigene Leistung hochgeregelt wurde. Portugal traf es härter: Das Land verfügt nicht über die Reserven Frankreichs und ist zudem deutlich kleiner. Von außen konnte niemand helfen – Spanien ist der einzige Nachbar. ### Neustart des Netzes – warum das so schwierig ist Ein solches Netz wieder hochzufahren ist kompliziert – aus zwei Gründen: - Erzeugung und Verbrauch müssen stets im Gleichgewicht bleiben. Andernfalls droht erneut ein Zusammenbruch. - Kernkraftwerke lassen sich nicht sofort wieder hochfahren. Nach einer Abschaltung leiden sie unter anderem an einer sogenannten *Xenonvergiftung* (eines der Probleme beim Reaktorunfall von Tschernobyl), die erst abgebaut werden muss. Deshalb sind sie auch zwei Tage später noch offline. Die Lösung besteht darin, das große Netz in viele kleine Abschnitte zu unterteilen. Für jedes Teilnetz wird zuerst Kapazität aufgebaut, dann wird es ans Netz genommen – und so weiter. Das dauert Stunden. In der Zwischenzeit zieht die Sonne weiter, und selbst wenn die Solaranlagen wieder ans Netz angeschlossen werden, liefern sie längst nicht mehr so viel wie zuvor – und ab etwa 20 Uhr gar keinen Strom mehr. Spanien brauchte also Hilfe aus dem Ausland. Man verband das Land schrittweise wieder mit dem europäischen Netz – zunächst nur mit kleinen Teilregionen. Ohne diese Hilfe wäre Spanien vermutlich noch immer ohne Strom. Der Strom kam daher zuerst in grenznahen Regionen wie Barcelona zurück, während Portugal am längsten unter dem Ausfall litt. ### Anmerkungen - Für die Größe des Incidents war die Behebung insgesamt schneller als ich erwartet hatte. In San Sebastian war nach 2h wieder Strom (zum Vergleich: Es gab in Wismar und Umgebung letztes Jahr 45min Stromausfall, weil *ein* Umspannwerk gewackelt hatte) und nach 23h in Portugal. Ich hatte mit 1-2 Tagem gerechnet. - Es war der größte Stromausfall in Europa seit 40 Jahren. Wenn die Annahme stimmt, dass er durch Klima-Ereignisse mit ausgelöst wurde, ist eine Modernisierung des gesamten Stromnetzes für besseren Umgang mit Schwankungen unumgänglich. Dazu gehört auch die geforderte Einführung von Stromzonen in Deutschland.

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