Die linke "kein Krieg, keine Waffen, nie und nirgends"-Position ist keine politische Position, sondern bloß die Verdrängung der Tatsache, dass wir in eine Phase der Weltpolitik eintreten, die notwendigerweise mehr Kriege mit sich bringt: das Ende der globalen US-Hegemonie.
Am Ende einer globalen hegemonialen Phase erkennen Regionalmächte (Russland, Israel), potenzielle globale Challenger (China), uvm, dass sie nunmehr politischen und militärischen Raum haben, der ihnen vorher vom Hegemon verwehrt, oder mit Regeln strukturiert wurde.
In so einer Situation steigt die Anzahl kriegerischer Auseinandersetzungen; die alten Bündnisse und Logiken funktionieren nicht mehr (who's a hero, who's a villain?); neue Waffen werden erfunden, beweisen sich als effektiv in den neuen Kriegen, und werden dann überall produziert.
So eine Situation stellt sehr schwierige neue Fragen: wie sollte die linke Position zur EU Rüstungspolitik sein? Ist es schlecht, Waffen für die Ukraine zu produzieren? Was ist die reale Bedrohung durch Russland im Baltikum? Für mich als queeren Linken ist das extra komplex:
Meine Tradition lehnt deutsche Rüstung ab, und ist skeptisch ggü der Warnung "der Russe kommt!" Gleichzeitig stehe ich in Solidarität mit Queers in der Ukraine und im Baltikum - deren Leben massiv schlechter würden, würden sie unter dem russischen Klerikalfaschismus leben.
Was bedeutet das für meine politischen Positionen als Linker? Wie stehe ich zum chinesischen Imperialismus in Afrika, der natürlich einerseits scheiße ist, andererseits, well, we invented that shit.
All das sind echt schwierige Fragen, ich könnte noch weitere aufzählen.
My point is: ich habe das Gefühl, dass viele meiner Antikriegsgenoss*innen vor allem Angst haben, sich der Komplexität einer neuen Realität zu stellen, in der nicht IMMER gilt: Arbeiter*innen machen die Revolution, die NATO ist böse, und Russland ist nicht so schlimm, wie 'der Westen' sagt."