#Kind ist vorhin von der Schule zurück gekommen und hat die Diskussion vom Zaun gebrochen, warum denn ausgerechnet er kein TikTok haben dürfte. Gründe zum wiederholten Mal runtergerattert (schädliche Auswirkungen auf Gesundheit und Entwicklung, für Kinder ungeeignete Inhalte, Meinungsbildung durch einen chinesischen Algorithmus, Fascism is coming ...) und mich über die weiteren Eltern geärgert, die ihren Kindern TikTok gegeben haben. Die Kinder posen natürlich mit ihrer neuen TikTok-App rum. Dürfte jetzt so fast die Hälfte der Klasse sein, die das haben.
The Hubzilla @ tschlotfeldt.de

@ts-new

Habe dem Kind Tiktok gegeben.

Habe mir Tiktok zugelegt.

Habe mit dem Kind getiktokt. Gefragt, wie lange wir jetzt dabei sind, was gut und was Dreck war.

Kind hat irgendwann entschieden, seine selbst produzierten Titok-Videos zu löschen, und Tiktok zu deinstallieren. "Zeit und Aufwand im Verhältnis zu dem, was es bringt, sind blöd."

Kind hat nie wieder nach Tiktok gefragt und ignoriert Tiktok auf dem Schulhof. "Die sind eh dumm."

TLDR: Wenn der Sohn was anschleppt, nehm ich das manchmal als Anlaß mir Sachen anzusehen statt sie zu werten. Die Wertung kommt auch, aber erst nach dem Ansehen und unter dem Gesichtspunkt "Was tut das? Macht mich das glücklich, schlauer oder besser? Ist es meine Zeit wert?" und diese Wertung versuche ich zu vererben.

@Kris
Kind hat nie wieder nach Tiktok gefragt und ignoriert Tiktok auf dem Schulhof. "Die sind eh dumm."
Unser Kind ist da anders, die Gruppe und die Gruppenzugehörigkeit sind ihm wichtig. Und ich weiß nicht, in welchem Alter ihr das ausprobiert hat. Unser Kind ist, wenn ich das richtig erinnere, so zwei Jahre jünger ...

Was mir aber wirklich Sorge macht, ist, wie sich in seiner Altersgruppe gerade die Einstellungen merklich nach rechts verschoben haben mit zum Teil offen migrationsfeindlichen Sprüchen Ich gehe davon aus, dass Social Media schon einen großen Anteil hat.

Ich habe das hautnah mitbekommen, weil ich bis vor kurzem noch Co-Trainer der Jugendfußballmannschaft gewesen bin und viel Zeit mit den Jungs verbracht habe.
Kris (@isotopp@infosec.exchange)

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@ts-new Er macht seit er 8 ist oder so Minecraft, und wollte dann auch irgendwann Youtube Videos publizieren (mit 10 oder 11).

Hat er mit Mama hart verhandelt – "keine Gesichter, keine Namen, keine Adressen", "wir reviewen jedes Video vor dem Upload" (das wurde das in erster Linie eine Style-Kritik, also Narrativ, Schnitt, Sound, Edit).

Und ganz wichtig: "Das Youtube nicht mit den normalen GMail, sondern mit einem anderen, neuen Account, damit Dein normales GMail nicht weg ist, wenn Dein Youtube Account gebusted wird." "Ja, natürlich lügen wir beim Alter und bei allem anderen, das ist wichtig. Es geht niemanden etwas an, wer Du wirklich bist und es schützt Dich."

Auf dieser Grundlage wollte er auch Tiktok (mit Zweitverwertung als Youtube Shorts).

An der Stelle haben wir dann inne gehalten und ich habe mir Tiktok angesehen, weiter wie oben. Also war er vermutlich 12 oder so.

Kern der ganzen Sache war, dem Kinde beizubringen, sich selbst zu beobachten und seine Handlungen zu beurteilen – hilft mir das, was macht es mit mir, macht es mich größer, besser, schlauer, was mache ich, habe ich Kontrolle über meine Kommunikation und meinen Medienkonsum.

Er hat mehr als einmal um Hilfe gebeten ("Ich will mein Telefon bei Euch abgeben und es erst wieder haben, wenn die Hausaufgaben fertig sind/wenn ich morgens geweckt werde"), aber auch früh Entscheidungen getroffen ("Ich glaube, wir sollten bei Harry Potter Teil 3 erst mal abbrechen, das wird mir zu dark"). Ich habe das unterstützt ("Papa zum Beispiel mag kein Blacklist gucken, das ist Splatter auf eine Art, die ihm nicht gefällt")

@Kris
Er macht seit er 8 ist oder so Minecraft, und wollte dann auch irgendwann Youtube Videos publizieren (mit 10 oder 11).
Deine Postings dazu habe ich mit Spannung und voller Hochachtung gelesen.
Kris (@isotopp@infosec.exchange)

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@ts-new

Er hat angefangen sprechen zu lernen und das war um die Weihnachtszeit. Kerzen haben ihn fasziniert.

Also wollte er unbedingt in eine Flamme fassen, weil das so schön leuchtet. Natürlich habe ihn ihm "Vorsicht, heiß!" gesagt, aber er kann nicht sprechen und vor allen Dingen kennt er das Konzept "heiß" nicht. Es gibt nichts, überhaupt nichts, was ich tun kann, um ihm das begreiflich zu machen.

Da habe ich begriffen, daß ich dem Kind keine Erfahrungen ersparen kann, egal wie jung es ist. Ich habe einen nassen Lappen geholt, ihn in die Kerze fassen lassen, die Finger gekühlt und das Kind getröstet und sein drittes Wort war "heiß" (eher "ei" "hei").

Ich kann als Papa nur Geduld haben, das Kind Erfahrungen machen lassen, aufpassen, daß es sich dabei nicht umbringt und hinterher trösten. Das ist absolut zentral.

Die Kindergärtnerinnen haben mich immer wie einen Mörder angesehen, wenn ich denen erklärt habe, daß mich das alles nicht interessiert, solange es nicht genäht oder geschient werden muß und noch alle Zähne und Augen da sind. Ich will mein Kind gerne dreckig und verschrammt zurück nehmen, denn dann weiß ich, daß er Grenzen getestet und erkannt hat, also was gelernt hat.

Kerzen, Klettergerüste, Discord, Minecraft, Tiktok. Das ist alles dieselbe Logik.

@ts-new

Will auch sagen: Du kannst, auf eine Weise, einen Einjährigen, Dreijährigen oder Zehnjährigen wie einen Erwachsenen behandeln:

Taten haben Konsequenzen.

Der "Altersbonus" ist, daß ich die Konsequenzen kuratiere oder moderiere.

Lernen kann er ja nur, wenn er die Konsequenz seiner Handlungen überlebt und andere nicht gefährdet.

Das hat aber, über die Jahre, und immer wieder einen Effekt: Der Sohn reflektiert, plant, schätzt ab, modelliert im Kopf, was passieren wird, was passieren könnte, und was er will und warum er das will.

Das ist genau das, was ich als Papa erreichen will.

EDIT: Das ist sehr, sehr sichtbar, schon bei einem Dreijährigen.

Er weiß, daß er die Meerschweinchen nicht anfassen darf, die auf einer Teichfolie mit 20 cm Acrylgatter im Wohnzimmer stehen.

Er weiß nicht, ob das immer gilt, und das würde er gerne herausfinden oder ob das nur Donnerstags gilt (nicht bewusst, das ist eingebautes Testverhalten in allen Kindern).

Also geht er auf den Meerschweinkäfig zu, schaut sich sehr offensichtlich um (sieht mich aber nicht nicht), und bricht die Handlung ab, weil er

  • weiß, daß er das nicht darf
  • feststellt, daß er nicht unterAufsicht ist, also nicht geschützt ist, und hält sich dann sicherheitshalber an die Regeln
  • Das hat er nicht bewusst getan, das ist einfach normales Kindsverhalten. "Testen, aber erst absichern" ist ein normales Lernverhalten.

    Wenn das Kind sich sicher fühlt, also weiß, daß es unter Aufsicht ist, dann testet es. Sonst geht es auf Nummer sicher, und hält sich enger an die Regeln.

    Für mich als Papa heißt das aber auch, daß ich ihm vertrauen kann, im Rahmen dessen, was er in dem Alter leisten kann. Und daß es einen Unterschied zwischen Beobachtetem und Unbeobachteten Verhalten gibt, was Risikofreudigkeit angeht.

    @isotopp Ich könnte es nicht so formulieren, aber ich habe auch immer versucht, den Kindern klare Grenzen zu setzen, die aber erstens nicht enger als unbedingt nötig waren und zweitens immer (altersgerecht) begründet waren / erklärt wurden. @ts-new
    @isotopp @ts-new wir haben als werdende Eltern einen „Babyverstehkurs“ gemacht. Ein Konzept daraus ist die „altersgerechte Gefährdung“. Ein Kleinkind SOLL aus dem Sitzen umfallen. Wenn es das nie tut, dann lernt es nicht wie das halbwegs sicher geht und fällt dann aus dem Stehen hin und tut sich vermutlich deutlich mehr weh.

    @isotopp @ts-new

    selten son schrott gelesen. bitte schreib hier auch unbedingt was dein kind gelernt hat nachdem es die streichhölzer ausprobiert hat...

    @isotopp Meine Erfahrung war ähnlich. Kind will wo hochklettern, Kind wird nicht gestützt und muss alleine wieder runterkommen. Hat 1A geklappt, ich musste nie eingreifen und mir nie Sorgen machen.
    Same mit Computerspielen. Kind zockt wie es will, und nach spätestens zwei Tagen Sättigung kommt es und spielt mit mir Gaslands, Karak oder sowas. Einfach nicht wie unmündige Trottel behandeln ist die halbe Miete, meine Meinung.
    @ts-new

    @isotopp @ts-new

    Willkommen in meiner Welt!
    Was bin ich froh das sowas jetzt >20 Jahre hinter mir liegt.

    @Kris Ich denke, wir haben recht ähnliche Wertmaßstäbe und Ansprüche. Unser Kind hier lebt auf'm Dorf. Das hieß zum Beispiel, als er noch kleiner war: „Du kommst nach Hause, wenn es dunkel wird.“ Damit kommen die Kinder hier gut klar.

    Aber mein Kind findet TikTok nunmal nicht blöd. Es findet auch Youtube Shorts nicht blöd. In dieser seiner Welt finden sich unter vielen Let's-Play-Video mindestens ein AfD- oder Rechtspopulisten-Thumbnail mit rassistischen, migrationsfeindlichen oder die demokratischen Institutionen deligitimierenden Aussagen. Er ruft die Videos  nicht auf, er hat da eine glücklicherweise starke Meinung. Aber diese ständigen Thumbnails, die da in seiner Lebenswelt an ihm vorbeihuschen, machen etwas mit ihm und vielen anderen Menschen auch.

    Das können wir ja gerade sehr schön erleben, wie selbst wohlerzogenes Bildungsbürgertum sich auf den Weg Richtung Faschismus begibt.
    Kris (@isotopp@infosec.exchange)

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    @isotopp @ts-new eine alte Schulkollegin von mir hat drei (!) Buben (mein letzter Wissensstand.)

    "Solange kein Blut fließt oder Knochen raus schaut ist es keine Verletzung"

    @isotopp @ts-new

    ...vor allen Dingen kennt er das Konzept "heiß" nicht. Es gibt nichts, überhaupt nichts, was ich tun kann, um ihm das begreiflich zu machen...

    Ich habe bei meinen beiden Kids die Hand genommen & diese am kalten Herd & Ceranfeld gehalten

    Die Hand war unter meiner

    Dann habe ich es eingeschaltet

    Da meine Hand ebenfalls warm wurde, konnte ich mit den Worten kalt, es wird wärmer & heiß, den Kids begreifbar machen was heiß bedeutet

    Hatte nachhaltig geklappt

    @maexchen1 @isotopp @ts-new So haben die Spartaner ihre Jungen erzogen.
    Muß nicht sein.

    @isotopp @ts-new

    einen finger ganz langsam näher an die flamme führen bis er von allein zurückzieht wär nich gegangen?
    tipp: für schwimmanfänger gibts so gummiflügel