Unsere Städte sind so geplant, dass Kinder in Warnwesten als legitime Lösung erscheinen.
@matthiasdrexel Ich glaube nicht, dass Kindergruppen in anderen Ländern, die eine weniger autolastige Verkehrsinfrastruktur haben, immer ohne Warnwesten vor die Tür gehen. Wenn wir nicht Autos komplett abschaffen, wird es Begegnungen mit zu Fuß Gehenden geben, bei denen ein bisschen zusätzliche Sichtbarkeit nicht unhilfreich ist. Abgesehen davon können Kinder auch Radfahrenden oder anderen Verkehrsmitteln in die Quere kommen (bzw. umgekehrt). Zudem helfen Warnwesten dem Personal, auf einen Blick zu erkennen, welche Kinder zu ihrer Gruppe gehören. Insofern fällt es mir ein bisschen schwer, mich über Warnwesten aufzuregen.

@SaySimonSay
Du glaubst, dass es weltweit keine Kinder gibt, die nie ohne Warnweste rausgehen?? Das ist doch ein bisschen sehr pessimistisch.

Ein Beispiel, meine Kinder, in Wien. Die sind im Kindergarten mit Warnweste auf Ausflüge gegangen, aber eher weil der Kindergarten viele kleine Warnwesten mit Logo gekauft hatte, die auch verwendet werden wollten. Da gab's auch andere Kindergärten mit gleichen kleinen Rucksäcken mit Logo für die Kinder, oder kleinen Kappen.

In der Schule oder Nachmittagsbetreuung oder sonst irgendeiner Gruppenaktivität seit sie sechs Jahre alt sind tragen sie nie Warnwesten. Und privat schon gar nicht.

Wer ein in knalligen Farben gekleidetes Kind mit reflektierender Tasche nicht sieht, wird das selbe Kind mit zusätzlicher Warnweste auch ignorieren. Das ist pure Täter-Opfer-Umkehr.

@matthiasdrexel

@dasgrueneblatt Nein, das ist ein Missverständnis. Ich glaube, dass Gruppen von (Klein-)Kindern auch dann häufig (aber natürlich nicht immer) Warnwesten tragen, wenn sie in Gebieten unterwegs sind, in denen kein (motorisierter) Verkehr stattfindet. Es verdeutlicht die Gruppenzugehörigkeit, auch für andere, und erhöht die Sichtbarkeit in unübersichtlichen Situationen. Das ist ja erst mal nichts Schlechtes.

Ich finde es ein bisschen heftig, jede Person, die einen Unfall mit einem Kind verursacht, als 'Täter*in' zu bezeichnen. Kinder verhalten sich im Verkehr oft relativ unberechenbar. Und sie sind nicht immer in knalligen Farben gekleidet (wo eine zusätzliche Warnweste in der Tat nicht viel helfen würde). Wenn ich gerade mit dem Fahrrad um die Ecke komme, wenn ein Kind auf die Straße springt, bringt auch die Warnweste nichts mehr. Aber in einer anderen Situation habe ich eventuell noch eine Sekunde mehr Zeit zum Reagieren, wenn ich einen orangefarbenen Punkt im Augenwinkel sehe.

Insofern denke ich: Es ist eine kleine Sache, die auch in einer menschenfreundlich geplanten Stadt ein paar Vorteile bieten kann, wenn man mit einer Gruppe von Kindern unterwegs ist.

@matthiasdrexel

@SaySimonSay
Du bist in Deutschland? Ich kenne nur die österreichische Gesetzeslage, aber die ist eindeutig:

§3 (2) StVO" Der Lenker eines Fahrzeuges hat sich gegenüber Personen, gegenüber denen der Vertrauensgrundsatz gemäß Abs. 1 nicht gilt [Anm: das sind u.a. alle Kinder], insbesondere durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft so zu verhalten, daß eine Gefährdung dieser Personen ausgeschlossen ist."

Wenn eines so schnell um die Ecke kommt, dass es nicht mehr bremsen kann, falls hinter der Ecke jemand ist, dann ist das "der Täter".

Wenn eines so schnell fährt, dass nur mehr knallorangefarbene Dinge rechtzeitig wahrgenommen werden können, dann ist das bei einem Zusammenstoß "der Täter", und es haben nicht alle nicht-knallorangenen automatisch Teilschuld. Und Kinder schon gar nicht, weil siehe oben.

Für Kinder gilt nach der österreichischen StVO sogar ein "unsichtbarer Schutzweg", also es ist sozusagen überall Zebrastreifen und sie dürfen überall drübergehen (dass das nicht so gelebt wird, ist die andere Seite).

@matthiasdrexel

@dasgrueneblatt In Deutschland steht so was Ähnliches in der StVO:

§3 (2a) "Wer ein Fahrzeug führt, muss sich gegenüber Kindern, hilfsbedürftigen und älteren Menschen, insbesondere durch Verminderung der Fahrgeschwindigkeit und durch Bremsbereitschaft, so verhalten, dass eine Gefährdung dieser Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist."

Ich will daraus keine Grundsatzdiskussion machen, aber man könnte argumentieren, dass Warnwesten genau dazu beitragen, dass ich so früh wie möglich erkenne, dass dort eine Gruppe ist, bei der ich mich entsprechend verhalten muss.

Aber wie gesagt, muss keine Grundsatzdiskussion werden, insofern okay für mich und schönen Abend noch.

@matthiasdrexel

@SaySimonSay @dasgrueneblatt @matthiasdrexel ich finde ihr habt beide valide Punkte.
Ich finde nicht, dass es einen irgendwie aufregen sollte, wenn Menschen Warnweste tragen wollen oder nicht, ist letztlich sowas wie die Helmdebatte light. Trotzdem ist Fakt, dass die derzeitige Infrastruktur weniger Verkehrssicherheit für nichtmotorisierte Verkehrsteilnehmende bietet und das den einzig richtig wirkungsvollen Hebel darstellt, etwas zu ändern.