Allein dass Weimer die rechtspopulistische Cancel-Legende der "verbannten" Venus-Skulptur als Beleg eines angeblich links-feministischen Kulturkampfes zeigt, dass ihm die Kompetenz für das Amt des Kulturstaatsministers fehlt. Der Reihe nach 🧵
Es handelt sich um eine Bronze-Kopie. Die Kopie wurde nicht "gecancelt", sondern steht als Dauerleihgabe in Leipzig. Das Original ist aus Marmor und steht in den Uffizien in Florenz.
Es gab und gibt bis heute zahlreiche Reproduktionen der Statue. Sie entstanden in verschiedenen Materialien. Porzellanfiguren waren im 19. Jahrhundert pseudowertvolle Nippesfiguren.
Ein Porzellanreplik der Venus Medici taucht in Wilhelm Buschs Satiregedicht "Frommen Helene" auf. Sie wird von einem Kater vom Kamingesims gestoßen. Klickerdoms! Ach!
Die von Weimer erwähnte Bronze-Kopie aus dem 18. Jhd gehörte zur geraubten Kunstsammlung von Hermann Göring. Wem sie vorher gehörte, ist unbekannt. Man ahnt, dass es kein freiwilliges Geschenk war.
Allein aufgrund seiner unklaren Provenienz (Stichwort "Raubkunst") ist die schmückende und unkommentierte Aufstellung dieser Skulptur vor einer deutschen Behörde problematisch. Zu dem Thema gibt es derzeit eine sehr erhellende Ausstellung im Kunsthaus Zürich.

Provenienzforschung im Kunstha...
Provenienzforschung im Kunsthaus Zürich – KUNSTHAUS

Seit den 1980er Jahren betreibt das Kunsthaus Zürich Provenienzforschung und untersucht systematisch die Herkunft seiner Sammlungswerke. Dabei ergab sich, dass die Provenienzen der untersuchten Werke als nicht fragwürdig, z.B. als Raubkunst oder Fluchtgut eingestuft werden können. Umfassenden Recherchen in der Gemälde- und Skulpturensammlung folgend, widmete sich ein Forschungsprojekt jüngst den Werken der Grafischen Sammlung.

Dazu ist die Kritik an Nackdarstellungen von Frauen in der bildenden Kunst seit Jahrzehnten Teil der Kunstgeschichte. Frauen sind nicht wie Männer als (geniale) Individuen bildwürdig, sondern nur als allegorisches Sinnbild abstrakter Werte ("Schönheit", "Reinheit").
Wenn eine Gleichstellungsbeauftragte darauf hinweist, dass eine Skulptur als "sexistisch" betrachtet werden könnte, macht sie also ganz schlicht ihren Job - und zwar sehr präzise. Sie könnte nicht nur, sie wird:
"die Bedeutung der Repräsentation von Nacktheit besteht unter anderem darin, 'belegen' zu können, daß die Geschlechterdifferenz eine natürliche sei." Durch die Aktkunst werde die Geschlechterdifferenz mitkonstituiert, sagt etwa die österreichische Kunsthistorikerin Daniela Hammer-Tugendhat

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Es ist nicht Aufgabe des Bundesamtes für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV), Kunst egal welcher Art dazubieten. Wenn sich die Amtsleitung dafür entscheidet, sich nicht länger mit einer kitsch-verdächtige Kopie fragwürdiger Provenienz zu "schmücken", ist das kein Skandal, ..
.. sondern eine angemessene ausgewogene Entscheidung. Die Weitergabe dieser Skulptur an ein öffentliches Museum, das den Kontext der Figur erklären kann, ist keine Prüderie, sondern amtliche Souveränität. Ein Kulturstaatsminister sollte das wissen!
Hier der Gastbeitrag Weimers in der SZ (Paywall)

Gastbeitrag von Kulturstaatsmi...
Gastbeitrag von Kulturstaatsminister Wolfram Weimer: Verteidigt die Freiheit

Linke wie Rechte wollen die Kunst politisieren, haben sich aber ein denkbar ungeeignetes Objekt ausgesucht. Die Korridore des Sagbaren, Erkundbaren und Darstellbaren gilt es zu weiten, anstatt sie zu verengen, fordert der neue Kulturstaatsminister.

Süddeutsche Zeitung
Nachgereicht: Im aktuellen Spiegel steht dieser passende Kommentar von Ulrike Knöfel www.spiegel.de/kultur/wolfr...
@ccornelsen.bsky.social nicht gestoßen, gecancelt. Vom Kamin gecancelt!