Habe gestern "Eldorado" auf Netflix geguckt; die Doku ist gut, der Titel aber irreführend. Dachte, da eine Doku über das "queere" (den Begriff gab es halt nich nicht) Leben des Berlins der 20er und frühen 30er sehen zu können. Das sind aber nur die ersten 20 Minuten, dann wird ein Bogen gespannt durch das "3. Reich" und die Schwulenverfolgung dort bis zur Verlängerung der Geltung der Nazi-Fassung des §175 unter Adenauer.
Einzelne Persönlichkeiten wie Ernst Röhm, Magnus Hirschfeld, Gottfried von Cramm und 3 trans Frauen, die sich im Hirschfeld-Institut einer Operation unterzogen, werden heraus gestellt, wie man das heute so macht - "Einzelschicksale" lassen es dann "menscheln". Die Reenactment sind gut und aufwändig, die Interview auch informativ, wenn auch die schwulen Nazis sehr viel Raum erhalten.
Es wird auch herausgearbeitet, dass es eben keinen "Homocaust" gab, anhand zweier jüdischer Queers - einer konnte ausreisen, einer kam grausam in einem Arbeitslager um - wird die "Mehrfachcodierung" (da von "Diskriminierung" zu schreiben verharmlost) deutlich. Es ist immens wichtug, dass dieser Menschen in der Doku gedacht wird, und das gelingt auch.
Trotzdem wäre für Folgeprojekte auch wichtig, die Potenziale, die im queeren Leben in der Weimarer Republik steckten, noch viel deutlicher herauszuarbeiten. Kein Klaus Mann taucht auf, keine Erika Mann; okay, "Promis" und doch beinahe vergessen, kein Isherwood. Nur einer der Läden, eben das "Eldorado", ersteht auf - die Vernetzungen in Kunst und Musik und Literatur verschwinden so. Da ist auch ein wenig schade.
Von den Nazis geht immer ein derartige Faszination aus, dass immer mal vergessen wird, was in dem enthalten war, was ihnen widerstand. Ein Erich Mühsam, der als Anarchist von ihnen grausam ermordet wurde, hat schon im Kaiserreich z.B. über Homosexualität geschrieben. Klaus Manns "Der fromme Tanz" war einer der ersten offen schwulen Romane weltweit überhaupt. Da gibt es noch viel aufzuarbeiten. Übrigens auch nicht ur im Bezug auf Berlin, sondern durchaus auch Hamburg.